Der Verein „Unser Nordschwarzwald“ propagiert vor der Vorstellung des Regierungsgutachten seine Wahrheit über das geplante Schutzgebiet. Der Kampf um die Meinungshoheit hat begonnen.

Baiersbronn - Die Spannung steigt in der Region Nordschwarzwald. Dort soll auf den Höhenlagen bei Baiersbronn, Bad Wildbad und Forbach ein zehn mal zehn Quadratkilometer großer Nationalpark ausgewiesen werden. Drei Suchgebiete hat die grün-rote Landesregierung festgelegt und ein Gutachten in Auftrag gegeben, das anhand von Tausenden von Bürgerfragen die Auswirkungen eines Nationalparks insbesondere auf die Artenvielfalt, Forstwirtschaft und Tourismus wissenschaftlich untersuchen soll.

 

Der für den Naturschutz zuständige Minister Alexander Bonde (Grüne) will damit der vielfach propagierten Bürgerbeteiligung der Landesregierung Rechnung tragen und sachliche Argumente für eine faktenorientierte Diskussion und Entscheidung liefern. Das Gutachten, erstellt von dem Frankfurter Beratungsunternehmen Pricewaterhouse-Coopers und dem Freiburger Büro Ö:Konzept, wird vermutlich Anfang 2013 vorliegen. Bonde ist überzeugt davon, dass ein Projekt noch nie so früh und unter solch umfassender Bürgerbeteiligung erörtert wurde. Das Gutachten werde „ergebnisoffen“ diskutiert, verspricht er. Über die Ausweisung eines Nationalparks entscheidet letztlich der Landtag.

Anwesenheit von Wölfen und Borkenkäfern

Diese Bemühungen zeigen keine Wirkung bei den Nationalparkgegnern. Für sie  ist das Ergebnis des „bestellten Gutachtens“ vorhersehbar. Stattdessen verweist der erste Vorsitzende des inzwischen gemeinnützigen Vereins Unser Nordschwarzwald, Andreas Fischer, hocherfreut auf „einen Joker, der vom Himmel fiel“ – auf eine an der Technischen Universität Dresden angefertigte Bachelorarbeit über den „Interessenkonflikt um das Projekt Nationalpark Nordschwarzwald“. Kein Wunder: denn die Studentin, die bei ihren Quellenangaben insbesondere auf persönliche Gespräche mit Vertretern der Bürgerbewegung verweist, rät aufgrund des nicht zu verhindernden Borkenkäferproblems eher ab von der Ausweisung eines Nationalparks. Ein solches „politisches Prestigeprojekt“ sollte zudem nicht „mit Zwang“ durchgesetzt werden, auch wenn die „Anwesenheit von Wölfen und Borkenkäfern“ für Naturschützer „eine Aufwertung des Gebiets“ bedeute.

Mit dieser laut Verein „unabhängigen wissenschaftlichen Arbeit“ will der im Vorfeld des Landesgutachtens argumentieren. „Die Zeit der Gefühle ist vorbei“, sagt der Vereinsvorsitzende. Die Bürger sollen jetzt informiert und aufgeklärt werden über das „fragwürdige Instrument“ Entwicklungsnationalpark, wo eine „künstliche Wildnis“ geschaffen werde in einer vom Menschen geprägten Kulturlandschaft.

Landesdatenschützer moniert „Verantwortungsliste“

Der erste Baustein der Offensive musste nach Intervention des Landesdatenschutzbeauftragten bereits modifiziert werden. Der Verein will Befürworter eines Nationalparks in Verantwortung nehmen. Sie sollen per Unterschrift besiegeln, dass sie mögliche Folgen eines Nationalparks – Borkenkäferplage, Arbeitsplatzverlust – wissentlich in Kauf nehmen. Doch die geplante Namensliste gilt schon nicht mehr. Der Landesdatenschützer Jörg Klingbeil hält es für bedenklich, wenn auch Personen genannt würden, die sich nur „informell“ oder „hinter verschlossenen Türen“ für den Nationalpark ausgesprochen hätten. Andre Baumann, der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu), als „falscher Prophet“ auf der Homepage des Vereins gebrandmarkt, hat für diese Kampagne nur Spott übrig: „Beziffert der Verein den Schaden? Wollen die meine Kontonummer haben?“

Zeitnah zur Veröffentlichung des Gutachtens will der Medienprofi Fischer, der berufliche Kampagnen plant und „Business TV“ anbietet, der einseitigen Berichterstattung eine eigene Nachrichtensendung im Internet entgegensetzen – und live Fragen beantworten. Mit dem zuständigen Minister Bonde möchte sich Fischer nur zu gerne ebenfalls live im Internet „duellieren“. Im Januar ist eine Großveranstaltung in Baiersbronn geplant, dem Wohnort des Ministers. Zudem will der Verein den Meinungsbildungsprozess in der Region mit einem zwölfseitigen Flyer unterstützen. Mit dieser Aktion sollen mehr Bürger erreicht werden als mit der Aktion der Landesregierung. Diese hatte 120 000 Haushalte im Herbst 2011 angeschrieben.

Die bereits jetzt schon hochemotionale Debatte über ein 10 000 Hektar großes Stück Wildnis im Nordschwarzwald, die Familien, Vereine, Stammtische, Ortschaften entzweit, wird wohl noch an Schärfe zunehmen. Die entscheidende Schlacht steht unmittelbar bevor.