Ignorieren oder demonstrieren – eine Debatte spaltet die Stadt Göppingen, wie man mit einer für den 12. Oktober angekündigten Demo Rechtsradikaler umgehen soll.

Göppingen - Die Diskussion darüber, wie man am besten auf eine geplante Demonstration Rechtsradikaler am Samstag, 12. Oktober, in Göppingen reagieren soll, droht, in einem Wirrwarr unterschiedlicher Interessen unterzugehen. Der Oberbürgermeister Guido Till argumentiert mit der Sicherheit der Bürger; die Geschäftsleute sprechen von einer Zumutung für ihre Mitarbeiter. Die Stadträte wollen ein Zeichen gegen Rechtsradikalismus setzen oder gegen Rechts- und Linksextremismus oder gegen Gewalt ganz allgemein. Obwohl sich alle einig sind, dass sie keine Rechtsradikalen in der Stadt haben wollen, scheint sich der Widerstand gegen rechts nicht in  einer großen Gegendemonstration zu formieren, sondern in mehrere kleine Demonstrationen aufzusplittern.

 

Der OB hatte in einem Brief an die Gemeinderäte jüngst vorgeschlagen, den Neonazis am 12. Oktober die kalte Schulter zu zeigen. In Gesprächen mit dem Marketingverein Göppinger City, den Kirchen und den Landtagsabgeordneten ist der Plan entstanden, bereits am Freitagabend eine Gegendemonstration zu veranstalten. Die Händler wollen ihre Geschäfte an besagtem Samstag geschlossen lassen.

Marketingverein will Läden geschlossen lassen

„Wir wollen denen keine Plattform bieten“, sagt Stefanie Sahnke, die Vorstandsvorsitzende der Göppinger City. Der Plan sei, die Stadt als Dauerbühne für Rechtsradikale uninteressant zu machen. Außerdem wolle man die Sicherheit der Kunden und Mitarbeiter nicht gefährden. „Wir machen an dem Samstag ohnehin keinen Umsatz, da können wir die Läden auch zulassen“, argumentiert sie. „Viele Kunden haben mich auf diesen Plan angesprochen und gesagt, sie fänden ihn ganz toll.“

Ganz anders sehen viele Stadträte die Sache. Die Stellungnahmen reichen von einem kategorischen „wir werden die Stadt nicht feige den Rechtsradikalen überlassen und wie geplant auf dem Spitalplatz demonstrieren“ von Christian Stähle (Linke) bis zur Forderung des SPD-Chefs im Gremium, Armin Roos. Er schreibt: „Die Stadt muss auch an diesem – durch die Umtriebe traurigen – Samstag voller Leben sein, keine tote Stadt, die von radikalisierten und extremistischen Horden in Besitz genommen werden kann.“

Die Grünen fordern eine gemeinsame Gegendemonstration

Der Fraktionsvorsitzende der Vereinigung unabhängiger Bürger (VUB), Wolfgang Feifel, sagt auch: „Ich hielte es nicht für sinnvoll, wenn die Stadt an diesem Tag menschenleer wäre.“ Und der Grünen-Chef Christoph Weber fordert, die Stadt müsse die Schirmherrschaft für eine große Demonstration am Samstag übernehmen. Es sei doch auffällig, dass die Verwaltung schon zum zweiten Mal nicht da sei, während Rechtsextreme marschierten.

Einige Stadträte nehmen Guido Till zudem übel, dass er nicht zuerst mit dem Gemeinderat und dem Bündnis Kreis Göppingen nazifrei gesprochen hat, sondern mit dem Cityverein, der eher eine geschäftliche als eine politische Strategie verfolge. Sie sprechen von einer „Blamage“.

Nur der CDU-Chef Felix Gerber bleibt gelassen: Er findet die Idee, die Neonazis zu ignorieren, „ganz gut“. Wenn es zumindest eine räumliche Trennung der Demos gebe, könne nicht wieder ein Stadtrat zwischen die Fronten zwischen Polizei und Linksextremen geraten und Pfefferspray abbekommen. Till kündigt an, bei seiner Ablehnung einer Demonstration am Samstag zu bleiben. „Für mich steht die Sicherheit der Bürger an erster Stelle“, sagt Till. Doch die könne er nicht garantieren, wenn rechts- und linksextreme Chaoten in der Stadt seien. Außerdem sei noch Zeit zu diskutieren.

Kommentar: Gefangen in Eitelkeiten

Wenn sich die Neonazis nicht schon lange vor dem Herbst ins Fäustchen lachen sollen, wird es für die Kommunalpolitiker und alle anderen Akteure Zeit, ihre Eitelkeiten über Bord zu werfen und zusammenzuarbeiten. Denn letztlich geht es nicht darum, wo oder wann demonstriert wird, sondern darum, dass demonstriert wird – und zwar gemeinsam. Sicherheitsfragen, der Umsatz der Händler, all das kommt erst an zweiter Stelle. Zuerst muss Göppingen zeigen, dass Neonazis dort nichts verloren haben.

Das kann man auf verschiedene Arten tun. Man kann in der City demonstrieren, während sich die Neonazis dort aufhalten, man kann das aber auch an einem anderen Ort und sogar zu einer anderen Zeit tun. Vor allem aber muss man dabei glaubwürdig sein. Und man muss geschlossen auftreten. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, setzen sie ein starkes Signal.

Doch was tun die Göppinger? Sie lassen sich spalten – lange bevor irgendein Radikaler welcher Couleur auch immer den Fuß auf das Stadtgebiet gesetzt hat. Es gibt viele gute Ideen aus den unterschiedlichsten Lagern, doch statt gemeinsam aus den besten Vorschlägen ein umfassendes Konzept zu machen, das ein lebendiges, buntes und friedliches Göppingen als Gegenentwurf zum braunen Nazisumpf präsentiert, hält man grundsätzlich nur den eigenen Ansatz für sinnvoll. Die Neonazis wird’s freuen.