Kassel sucht ein würdiges Gedenken für ein Opfer. Die Option einer Straßenumbenennung gibt es noch, doch ihre Chancen schwinden.

Kassel - Der Vater des vom Zwickauer Neonazitrio ermordeten Halit Yozgat hat mit seiner Rede beim Staatsakt für die Opfer der Neonazimorde viele gerührt. Er wünschte sich, man möge zum Gedenken an seinen 2006 ermordeten Sohn die Holländische Straße – wo die Tat geschah – nach jenem benennen. Einstimmig hat die Stadtverordnetenversammlung in Kassel daraufhin beschlossen, eine „geeignete Form des Gedenkens und Mahnens“ zu finden. Die Option einer Straßenumbenennung gibt es noch immer, aber ihre Chancen schwinden. Denn außer dem türkischen Unternehmerverband hat sich keine Partei und kein Verband dafür ausgesprochen.

 

Als die Kasselaner 2011 die Hintergründe über die Ermordung Halits erfuhren, seien die Menschen „sehr betroffen“ gewesen, sagt Monika Sprafke, SPD-Ortsvorsteherin des Bezirks Nord-Holland, in dem die Holländische liegt und jeder dritte Bewohner ein Migrant ist. Man habe Kränze niedergelegt und Menschenketten gebildet. „Aber leider kippt die Stimmung jetzt“, sagt Sprafke. Auf der Internetseite der Lokalzeitung HNA gibt es zur Namensdebatte erboste Kommentare. Man sei „nicht in Istanbul“, heißt es da. Vor Jahren wehrten sich Bürger im Stadtbezirk Nord-Holland erfolgreich gegen den Antrag der Kasseler Uni, den Holländischen Platz in Uni-Platz umzubenennen. Die Holländische Straße ist eine geschichtsträchtige Handelsstraße, die nach Amsterdam führt. Sie ist eine Ausfallstraße mit täglich 36 000 Autos, und sie sei „eine traurige Straße“ geworden, sagt Sprafke, mit leer stehenden Wohnungen und Läden. Auch Sprafke hält nichts von der Umbenennung. Es sei wahrscheinlich, dass einige Anlieger dagegen klagen würden, ein würdevolles Gedenken sei so nicht möglich. Der Magistrat der Stadt soll nun eine einvernehmliche „Gedenkenlösung“ finden. Das kann Wochen dauern.

Die Geschichtswerkstatt der Kasseler Albert-Schweitzer-Schule ist schneller: Sie regt an, man möge den Henner-Pfiffendeckel-Platz nach Halit benennen. Pfiffendeckel war das Pseudonym von Philipp Scheidemann, einem SPD-Politiker der Weimarer Republik. Scheidemann könnte den Verlust verkraften. Ein zweiter Platz in Kassel trägt seinen richtigen Namen.