Verbindungen nach Moskau


Zumindest in zwei Punkten wird der Karlsruher Energiekonzern auf Nachfrage etwas konkreter. Bei den Dienstleistungen, die jetzt näher untersucht werden, gehe es unter anderem um den Rückbau des stillgelegten Kernkraftwerks Obrigheim. Dabei habe man geprüft, "Bauteile in einem speziellen Ofen in Russland einzuschmelzen und erneut dem Stoffkreislauf zuzuführen". Bisher wurde daraus offenbar nichts. Wenn tatsächlich Reaktorschrott gen Osten gebracht werde, müsste das Stuttgarter Umweltministerium eingeschaltet werden - doch dem ist nichts bekannt.

Auch sonst habe man keine strahlenden Stoffe nach Russland entsorgt, versichert die EnBW. Genau wegen diesen Verdachts war der Großaktionär Electricité de France (EdF) Ende vorigen Jahres in die Schlagzeilen geraten. Viel Wirbel gab es damals um radioaktive Rückstände aus Frankreich, die angeblich in Sibirien unter freiem Himmel lagerten. Offiziell hieß es in beiden Ländern indes, alles sei in bester Ordnung.

Geprüft wird nun auch ein Projekt, das die EnBW gemeinsam mit einem umtriebigen russischen Geschäftsmann realisieren wollte. Andrej Bykov heißt der Moskauer, der bereits vor Jahren in der Schweiz größeres Aufsehen erregte. Die von ihm geführte Aktiengesellschaft mit dem Namen "Nuclear Disarmament Forum" (Abrüstungsforum) vergab 2002 mit viel Trara mehrere Friedenspreise. Preisträger waren unter anderem der russische Präsident Putin, der freilich nicht persönlich erschien, und der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu. Die Verleihung nahm Putins Vorgänger Michail Gorbatschow vor, moderiert wurde der Festakt von den Showdamen Michelle Hunziker und Lolita Morena, es musizierte das russische Nationalorchester.

Doch trotz des hohen Glamourfaktors wurde die Veranstaltung im Casino der Stadt Zug von Misstönen begleitet. Die Schweizer Greenpeace-Organisation bescheinigte der "skurrilen Friedensinitiative", sie diene nur als imagefördernder Deckmantel für die Interessen der europäischen Atomwirtschaft. Das sehe man schon daran, dass das Forum einst vom Brennstoffeinkäufer des grenznahen Reaktors Leibstadt gegründet worden sei. Auch Schweizer Zeitungen kritisierten, ein großes Geschäft werde nach dem Motto "Schwerter zu Pflugscharen" als Wohltätigkeit verbrämt. Und Regionalpolitiker aus dem Kanton Zug blieben dem Festakt demonstrativ fern. Bykov zeigte sich von alldem unbeeindruckt: Er werde sich weiterhin für die Vernichtung der Atombomben engagieren, wurde er zitiert.

Undurchsichtiges Personalgeflecht


Worum aber ging es bei den gemeinsamen Aktivitäten mit der EnBW? In zwei Gesellschaften aus Bykovs Schweizer Firmengeflecht, die alle unter der gleichen Zürcher Adresse (Stockerstraße 50) residierten, war der Karlsruher Konzern hochrangig vertreten: durch den heutigen Technikvorstand Hans-Josef Zimmer, zuvor Chef der Kernkraftgesellschaft EnKK, den langjährigen kaufmännischen Geschäftsführer von Neckarwestheim und EnKK, Wolfgang Heni, und den Generalbevollmächtigten Konzernfinanzen, Ingo Peter Voigt. Mal fungierten sie als Verwaltungsrat, mal als Geschäftsführer.

Bei einer der Firmen, ETS Premium, war Heni laut Handelsregister bis November 2009 sogar Präsident des Verwaltungsrats. Daran erinnerte er sich indes erst bei der zweiten StZ-Nachfrage: Den Posten habe er "in der Tat vergessen". Der Zweck der Aktiengesellschaften war vage formuliert. Bei Easy Toll Systems, der zweiten Firma, ging es um "Sicherheits-, Maut- und Kontrollsysteme für Verkehr, Transport, Lagerung und Logistik", bei ETS Premium noch allgemeiner um die "Beteiligung an anderen Unternehmen aller Art im In- und Ausland". Deutlich konkreter klingt der Geschäftszweck, mit dem die EnBW ihre Minderheitsbeteiligung bei Easy Toll erklärt. Es sei um ein Überwachungssystem gegangen, mit dem die Kontrolle radioaktiver Stoffe in Russland verbessert werden sollte; in solchen Fragen habe man schließlich Erfahrung. Der Anstoß sei vom G-8- Gipfel 2002 gekommen, der auch ein entsprechendes Programm beschloss. Doch die Pläne zerschlugen sich, gegenwärtig wird die Firma liquidiert. Der Grund laut EnBW: wegen der Wirtschaftskrise wolle die russische Regierung "keine Mittel mehr für das Projekt bereitstellen". Nun endet es offenbar im Streit ums Geld.