In der Ludwigsburger Arena treffen sich die weiblichen Größen des Deutschpop: Nena und Juli bedienen ihre Fans mit alten Hits im neuen Gewand.      

Ludwigsburg - Sie wollen keine Enkelinnen sein. Und schon gar keine "Enkelinnen Nenas". Als solche sind die Sängerinnen der Bands Silbermond, Juli oder Wir sind Helden oft bezeichnet worden, nachdem sie am Anfang des neuen Jahrtausends mit mehr oder weniger seichtem Deutschpop zu Ruhm und Ehre gekommen waren, eben so wie Nena, die Ikone des Deutschpops schlechthin, vor einer gefühlten Ewigkeit.

 

Eva Briegel, die Juli-Sängerin, distanzierte sich jedenfalls von solcherlei Etikette, als sie in einem StZ-Interview im vergangenen Herbst sagte: "Wir sind musikalisch ganz anders geprägt, von daher kann ich damit nichts anfangen."

Andere hingegen können mit der Querverbindung jede Menge anfangen. Der Sender Hitradio Antenne 1 zum Beispiel, der Juli und Nena jetzt gemeinsam in der Ludwigsburger Arena auftreten ließ. Das Doppelkonzert war der Auftakt zur Reihe "Fifty-Fifty-Mix Live in Concert", bei der Stars aus den achtziger Jahren gemeinsam mit aktuellen Künstlern auftreten sollen.

Viele Familien waren gekommen, ganz so, wie es das Konzept von Hitradio Antenne 1 vorsieht. Generationsübergreifende Konzerte nennt man das. So leicht sich musikalische Vergleiche zwischen den Bands dann auch ziehen lassen - Nena und Juli verstehen sich beide auf Melodien für Millionen im rockig-verwegenen Gewand -, so unterschiedlich fallen dann doch ihre Auftritte aus.

Juli geht zurückhaltend ans Werk

Zunächst zu Juli. Mit Hits wie "Die perfekte Welle" und "Geile Zeit" und ihrem gleichermaßen zupackenden wie sentimentalitätsstiftenden Sound nahm die Gießener Band im Jahr 2004 junge Menschen landauf, landab für sich ein. Das Arrangement hatte den Anstrich einer progressiven Schülerband, was ihnen bei den Kritikern keine Lorbeeren einbrachte, die Identifikation mit den Fans dafür umso mehr stärkte. Stars zum Anfassen sind in den Nullerjahren populär geworden.

Sieben Jahre später ist die Frontfrau Eva Briegel Mutter einer einjährigen Tochter, ihre Stimme klingt in den hohen Lagen immer noch schrill, aber insgesamt versierter. Das Etikett "progressive Schülerband" ist verblasst, es ist jedoch nichts Progressives mehr hinzugekommen. Auch der vermeintlich moderne Clubsound des aktuellen Albums "In Love" kann darüber nicht hinweg täuschen - viele Künstler haben sich schon neu erfunden, indem sie ihre Musik elektronisierten, Nena übrigens auch.

Man lauscht also einer Band, die - passend zum kargen Bühnenbild - zurückhaltend und minimalistisch ans Werk geht, die aber nach wie vor die Massen vereint mit wohlklingenden Songs wie "Wir beide" (ein sehr gelungenes Stück Pathos über beste Freunde), "Regen und Meer" oder "Ich liebe dieses Leben". Spätestens, als die "Die perfekte Welle" anrollt, erübrigt sich die Frage, ob und wie sich Juli eigentlich weiterentwickelt hat. Die Menge wogt, und die Musiker laben sich am Erfolg aus vergangenen Tagen, an den sie mit neueren Stücken nie anknüpfen konnten.

Nenas neue Stücke funktionieren kaum

Ähnlich verhält sich das bei Nena, die in ihrer knapp dreißigjährigen Karriere beharrlich Album an Album gereiht hat, jedoch vor allem wegen ihrer Erfolge aus den achtziger Jahren geliebt wird. 2002 schaffte sie bezeichnenderweise mit einer Neuabmischung alter Hits ein fulminantes Comeback. Auch in Ludwigsburg zeigte sich, dass das Publikum hauptsächlich Altbekanntes vom 51-jährigen HB-Frauchen hören will - Nenas Energie ist erstaunlich, dagegen mutet Julis Auftritt wie ein Chansonabend an.

Bei Stücken wie "Fragezeichen", "Leuchtturm", "Nur geträumt" und dem Lied aller Lieder, "99 Luftballons", jauchzen die Massen noch immer. Nena und ihre neunköpfige Band machen aus der Rückwärtsgewandtheit eine Tugend und interpretieren die tausendmal gesungenen Stücke neu. Mutet "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" zunächst noch maschinell-futuristisch an, verwandelt es sich plötzlich zur Dub-Beat-Nummer. Das Konzert wird zur Party, Bandmitglieder und Backgroundsänger tanzen, umarmen und küssen sich, Nena strahlt und jubelt, sonnt sich in der Bewunderung der Fans und bedankt sich auf Knien, dass "sie immer noch hier stehen und ihre Lieder singen darf": eine Rampensau wie aus dem Bilderbuch.

Ihre neuen Stücke funktionieren kaum, es sei denn, es handelt sich um eine Ballade wie die letzte Zugabe: "In meinem Leben". Hier kulminiert all das, was Nena am besten kann: klangvolles Pathos verströmen, sich an sich selbst berauschen, sehnsuchtsvoll ins Mikrofon seufzen - komplett überladen, das alles, aber doch schön.