Nicolas Cage brilliert als Charakterdarsteller in „Dream Scenario“ von Kristoffer Borgli. Ein spannender Genre-Mix über raues Klima an US-Unis und den Aufstieg eines Null-Acht-Fünfzehn-Professors zur zentralen Traumfigur seiner Mitmenschen.

Halbglatze, Zottelbart und Brille: Als Traummann gibt der Hochschullehrer Paul Matthews (Nicolas Cage) wenig her. An seiner Uni geht er in der Masse unter, ähnlich den Zebras aus seiner Biologie-Vorlesung, die mit Hilfe ihrer Streifen als Individuen in der Herde verschwinden. Dabei sehnt Paul sich nach Aufmerksamkeit. Seit Jahren nagt er an der Idee zu einem Fachbuch über Ameisen herum, das nun eine Kollegin vor ihm veröffentlicht. Unerfüllt bleibt auch Pauls Wunsch, einmal zur exklusiven Dinner-Party seines Nachbarn geladen zu werden, weil der Paul als tödlichen Langweiler schmäht. Doch mit einem Schlag ist Pauls Leben als Null-Acht-Fünfzehn-Niemand vorbei in Kristoffer Borglis schwarzhumoriger Mystery-Tragikomödie „Dream Scenario“, nachdem der Unglückliche plötzlich in den Träumen seiner Mitmenschen auftaucht.

 

Borgli streift das Phänomen amerikanischer „Cancel Culture“

Es ist erst der dritte Spielfilm des Norwegers, trotzdem lässt sich in Borglis schmalem Werk schon ein roter Faden verfolgen. In der Mockumentary „Drib“ (2017) über die Werbekampagne zu einem erfundenen Energy-Drink beschäftigte sich der Filmemacher mit dem Irrsinn viraler Marketingstrategien. In „Sick of Myself“ (2022) geht es um die selbstzerstörerische Sucht nach Ruhm zweier Narzissten in Zeiten von Social Media. „Dream Scenario“ beleuchtet nun das Monster Ruhm, das dem so liebenswerten wie Mitgefühl erregenden Protagonisten das Leben innerhalb einer gnadenlos auf Erfolg gepolten Gesellschaft zur Hölle macht. Dabei streift Borgli auch das Phänomen amerikanischer „Cancel Culture“, die besonders im Leben von akademischen Lehrkräften an privat finanzierten Unis zum Verhängnis wird, wenn diese sich nicht aktuellen Befindlichkeiten und Trends unterwerfen.

Nachdem Paul zunächst als harmloser Beobachter in den Träumen seines Kollegiums und der Studierendenschaft herumgespukt ist, wandelt er sich innerhalb der Traumhandlungen nach und nach zum brutalen Aggressor. Warum das so ist, lässt Borgli im Dunkeln. Als linkischer Traumstatist steht Paul noch hoch im Kurs, als aktiver Unhold der Albdrücke erweckt er Hass, obwohl er in der Realität weiterhin passiv freundlich bleibt. Borgli beschreibt Pauls seltsame Erfahrungen als Traum-Celebrity zunächst mit absurdem Humor, erzählt, wie der schluffige Akademiker von einem hippen Werbefachmann (Michael Cera) als Markenbotschafter geheuert wird und ein attraktiver weiblicher Fan mit dem verdatterten Familienvater seine erotischen Träume in der Realität nachspielen will. Was nicht nur Paul, sondern auch dessen sensible Gedärme aus der Fassung bringt. Solche Momente empathischer Fremdscham und Rührung münden im Verlauf der Erzählung in Szenen des Horrors und bitterer Traurigkeit, wenn Paul rigoros aus der Gemeinschaft verstoßen wird.

Nicolas Cage liefert als tragikomischer Jedermann eine Glanzleistung der Charakterdarstellung; zermalmt zwischen dem flüchtigen Glück oberflächlicher Beliebtheit und dem quälenden Elend der Einsamkeit.

Dream Scenario: USA 2023. Regie: Kristoffer Borgli. Mit Nicholas Cage, Julianne Nicholson, Michael Cera. 102 Minuten. Ab 12 Jahren. Start 21.3.