Rechtzeitig zum 250. Geburtstag Johann Friedrich Cottas am kommenden Sonntag legt Bernhard Fischer eine Biografie des „Verlegers, Entrepreneurs und Politikers“ vor. Es ist die erste umfassende Darstellung eines Mannes, der mehrere Leben in einem führte.

Tübingen - Rechtzeitig zum 250. Geburtstag Johann Friedrich Cottas am kommenden Sonntag legt Bernhard Fischer eine Biografie des „Verlegers, Entrepreneurs und Politikers“ vor. Es ist die erste umfassende Darstellung eines Mannes, der mehrere Leben in einem führte. Fischer gelingt es, einen weiten Bogen zu spannen. Er, der Direktor des Goethe- und Schillerarchivs in Weimar, leitete über Jahre hinweg das Cotta-Archiv in Marbach. Er ist wohl der beste Kenner jener Dokumentensammlung, welche die Herausgeber der Stuttgarter Zeitung, Josef Eberle und Erich Schairer, dem Schiller-Archiv gestiftet haben, aus dem dann das Deutsche Literaturarchiv hervorging.

 

Nach Lektüre dieser Biografie hat man ein ganz anderes Bild von dem Mann, den die Öffentlichkeit gemeinhin als den Verleger Schillers und Goethes, als den Schöpfer der deutschen „Nationalliteratur“ wahrnimmt. Das war er zwar auch, aber zugleich war er mehr, nämlich ein Mitbegründer der Moderne, eines ins Universale zielenden Zeitungs- und Zeitschriftenwesens, ein Pionier in der Entwicklung des Buchwesens, angefangen von der Produktionstechnik bis hin zu den Vertragsgeschäften. Fischer nennt ihn „ein Genie der öffentlichen Kommunikation“. In gewisser Weise war Cotta ein Axel Springer seiner Zeit.

Im Privatleben war Cotta eher scheu

Über den Privatmann Cotta wissen wir wenig, er war eher scheu und hat die meisten seiner privaten Dokumente vernichtet. Umso mehr erfahren wir über ihn aus den Zeugnissen der bedeutenden Zeitgenossen, mit denen er es zu tun hatte, und nicht zuletzt aus den geschäftlichen Hinterlassenschaften. Fischer gelingt es, daraus ein Leben zu entwickeln, das als „Ausdruck der Epoche“ gelten kann. Cotta wurde in eine Zeit des Umbruchs hineingeboren. Die Aufklärung, der Drang zu rationalerem Denken, hatte die Gesellschaft in Bewegung gebracht. Immer mehr Menschen lernten Lesen und Schreiben, es entstanden Zeitungen und Zeitschriften, und weil Bücher teuer waren, drängten die Menschen in Bibliotheken und Lesehallen.

All dies entging dem jungen hellwachen Cotta nicht, als er nach dem Studium der Mathematik und Rechtswissenschaft den etwas heruntergekommenen väterlichen Buchverlag in Tübingen übernahm. Mit dem Verlegen professoraler Werke über Theologie, Medizin, Recht und Altphilologie wollte er sich nicht begnügen. An Literatur dachte er erstaunlicherweise zunächst nicht. Neidisch blickte er auf den norddeutschen Markt und seine „Bücher-Fabricken“. Er nahm Kontakt auf zu Joachim Heinrich Campe, dem damals bekanntesten Autor pädagogisch aufbereiteter Unterhaltungsliteratur. Zeitgleich konnte dann Campes „Väterlicher Rat für meine Tochter“ in Braunschweig und bei Cotta erscheinen. Das war bezeichnend für Cotta, der auf unterhaltende Bildungslektüre setzte. Später gesellte sich zu diesem Genre der moralischen Erbauung das „Taschenbuch für Damen“.

Doch Cotta drängte es zu Höherem. Er wollte der Verleger Friedrich Schillers werden. Doch zuvor reiste er nach Paris, wo ihm klar wurde, dass das politisch zersplitterte Deutschland eine Zeitung neuen Typs benötigte, ein „räsoniertes Blatt“, das dem wachsenden Informationsbedarf des breiten Publikums entgegenkam. Über dieses Projekt sprach er auch mit Schiller, mit dem er 1794 in Stuttgart zusammentraf. Daraus entstand eine lebenslange Freundschaft. Allerdings war Schiller weniger an einer Zeitung als an einer literarischen Zeitschrift interessiert, die dann in Gestalt der „Horen“ Wirklichkeit wurde. Goethe konnte als Mitarbeiter gewonnen werden.

Cottas „Europäische Annalen“

Ungeachtet von Schillers Desinteresse verfolgte Cotta den Plan, ein europäisch-historisches Journal herauszugeben, das 1795 unter dem Titel „Europäische Annalen“ erschien und ein Erfolg wurde. Friedrich Gentz lobte das Blatt als „erstes politisches Journal in Deutschland“. Mit den „Annalen“ und den „Horen“ war Cotta schlagartig an die Spitze der politischen und literarischen Verlage gerückt. Gegen die starke Leipziger Konkurrenz rollte er den Buchmarkt auf, gewährte sichere Verträge und hohe Honorare. Mit seinem mathematischen Talent, seinem Sinn für die Ökonomisierung des Lebens setzte er sich durch.

Modern denkend betrieb er Eigenreklame, verbreitete Firmenkataloge und „Novitätenzettel“. Bei den Klassikerausgaben sicherte er sich ein „ewiges Verlagsrecht“ an den Gesamtausgaben, aber die Raubdrucke waren und blieben ein Problem. Einem Gesetz gegen Nachdrucke galt sein politischer Kampf. Ökonomisch halfen dagegen billigere Ausgaben, sogenannte Handbücher, die zum Ärger Goethes weite Verbreitung fanden.

Auseinandersetzung mit den Zensurbehörden

Ein anderes Problem war die Auseinandersetzung mit den Zensurbehörden. Als 1798 die „Allgemeine Zeitung“ erschien, gewährte Herzog Friedrich II. zunächst Zensurfreiheit, aber die rasche Verschlechterung der politischen Verhältnisse zwang zur Verlagerung der Redaktion nach Ulm und dann nach Augsburg. Napoleon, dessen militärisches Genie Cotta bewunderte, knebelte die öffentliche Meinung immer mehr und zwang Cotta zur Anpassung. Umso mehr kämpfte er für einen Medienliberalismus auch in der Zeit nach Napoleon. Cottas Beteiligung an den Verfassungskämpfen nimmt einen sehr breiten, wohl zu breiten, Raum bei Fischer ein. Mit seinen Journalen versuchte er, die konstitutionelle Entwicklung voranzutreiben und eine presserechtliche Allianz mit Preußen zu suchen. Fischer schreibt, dass Cotta unfähig gewesen sei zu erkennen, dass sich der Wind in Österreich und Preußen hin zu einem rigideren Kurs gedreht hatte.

Ungeachtet dessen trieb Cotta den technischen Ausbau voran. Da war zunächst der Übergang zum Steindruck, zur Lithographie. Für die Druckerei in Augsburg erwarb er eine Schnellpresse, mit deren Kauf er Pioniergeist bewies. Betrieben wurde sie mit einer Dampfmaschine, eine Antriebsart, die ihn begeisterte und für die er sich bei der Bodensee- und Rheinschifffahrt einsetzte.

Die Geburt einer liberalen Sozialpolitik in Württemberg hatte auch mit Cotta zu tun. Damals herrschte große Not im Lande. Als Berater von Königin Katharina gründete eine Hilfskasse, für die er erhebliche Beiträge leistete. Zugleich gründete er den Württembergischen Landwirtschaftsverein, er selber besaß mehrere große Güter.

Es ist nicht möglich, die Fülle von Details, die Fischer ausbreitet, auch nur annähernd wiederzugeben. Alles in allem beschreibt diese herausragende Biografie einen Mann, der Signale setzte in Richtung eines modernen Pluralismus. Wie er heute im Rechtsstaat mit seiner Positionenvielfalt Wirklichkeit geworden ist. Die Rolle der freien Medien ist darin unverzichtbar. „Nichts ist schlimmer,“ heißt es bei Fischer, „als das Publikum ohne Nachrichten zu lassen.“

Bernhard Fischer: Johann Friedrich Cotta. Verleger, Entrepreneur, Politiker. Wallstein Verlag, Göttingen. 967 Seiten. 49,90 Euro.