Mann 1 sitzt über seiner Zeitung.

 

Mann 2 sitzt ebenfalls über seiner Zeitung.

Mann 1 hustet aus tiefster Kehle.

Mann 2 schaut auf.

Mann 1 hustet weiter.

Mann 2 sitzt ebenfalls über seiner Zeitung.

Mann 1 hustet aus tiefster Kehle.

Mann 2 schaut auf.

Mann 1 hustet weiter.

Mann 2 schaut wieder auf seine Zeitung.

Mann 1 hustet immer noch.

Mann 2 tut so, als bemerke er es nicht.

Mann 1 schaut zu seinem Gegenüber: Ist nicht ansteckend!

Mann 2 nickt verständnisvoll.

Mann 1: Ist ein Reizhusten. Furchtbar!

Mann 2: Kenn ich! Furchtbar!

Geschwisterliebe in der U15

Alle sind mal wieder mit ihrem Smartphone beschäftigt und schauen nach unten.

Eine Mutter mit Sohn, um die zehn, und einem weiteren Sohn, ein bisschen älter als zwei Jahre vielleicht, steigen ein. Der Große ist ein fürsorglich großer Bruder. Die beiden sind ein Herz und eine Seele, die Lage ist entspannt. So viel Geschwisterliebe ist selten. Es geht drei Stationen gut. Dann muss der große Bruder aussteigen.

Zweijähriger: Rabähhhh. (weint sofort los)

Zehnjähriger: Macht Grimassen zum Fenster hinein, um ihn zu beruhigen.

Die Bahn fährt weiter.

Mutter: nimmt den Kleinen auf den Schoß.

Zweijähriger: Rabähhhh. Weltuntergangsstimmung. Trennungsschmerz.

Die Mitreisenenden schauen auf.

Die Frau gegenüber sucht auf ihrem Smartphon Bilder von ihrem Kind und hält es dem Kleinen unter die Nase: Baby.

Zweijähriger: schaut auf das Baby und hört auf zu weinen. Kurz. Dann wieder: Rabähhh.

Die Gegenübersitzende sucht weitere Bilder. Weitere Babybilder. Der Zweijährige schaut zufrieden.

Alle sind schauen auf – und zu und lächeln.

U9 am Morgen: Ein Kuss zum Abschied

Offenbar ein Fachgespräch unter Männern.

Mann 1: Bei unseren Projekten ist es wichtig, möglichst präzise zu arbeiten.

Mann 2: Klingt logisch (irgendwie muss er das Gesagte ja kommentieren).

Mann 1: Bin gespannt, wie es heute weitergeht.

Mann 2: Mhhm.

Mann 1 (steht auf): Also Tschüss dann, bis heute Abend!

Er beugt sich zu Mann 2, der ihm gegenübersitzt, herunter und gibt ihm liebevoll einen intensiven Kuss auf den Mund.

Für einen kurzen Moment schauen die Umsitzenden von Samrtphone und Zeitung auf – und schauen dem Aussteigenden nach.

Morgens in Schulnähe an der U15: Frühes Altern

Zwei Jugendliche, lässig, deshalb mit viel zu dünnen Jacken in diesen eiskalten Tagen.

Jugendlicher 1: Ey, da kannst du ja schon nach einer Stunde nicht mehr. Viel zu kalt. (Trippelt von einem Bein aufs andere)

Jugendlicher 2: Ja, weißte noch, wie wir letztes Jahr die ganze Nacht draußen waren. Mit Trinken und so.

Jugendlicher 1: Ja. Voll krass. War genauso kalt wie jetzt. Ne, das könnte ich heute nicht mehr. Viel zu kalt.

Jugendlicher 2: Nee, überhaupt nicht mehr.

In der U15: Ein Koffer voller Geld

Ein Mann, führt unverständliche Selbstgespräche, adrett gekleidet, Mitte 50.

Zwei Jugendliche entern die Bahn, ziemlich cool. Haare stehen toupiert zu Berg. Als sie sitzen, merken sie, dass der Mann sie freundlich anschaut. Es ist ihnen unheimlich. Die Coolness weicht aus ihrem Gesicht.

Der Mann zieht seinen Behindertenausweis aus dem Geldbeutel und deutet auf seinen beiden Augen. Will heißen: ich sehe schlecht. Die Jugendlichen grinsen sehr verlegen.

Beim nächsten Halt steigt eine Mann mit einem funkelnagelneuen Trolley ein. Er ist grasgrün, das Preisschild hängt noch dran. De Mann stellt ihn vor sich und döst.

Hupps. Die Straßenbahn macht einen Ruck. Der Koffer schießt auf seinen Rollen einmal quer durch die Bahn. Die Bahnfahrer sind hellwach, alle grinsen sich an. Eine Frau fängt das grasgrüne Geschoss ein, bringt ihn zurück.

Der Mann mit den Selbstsprächen ruft ganz laut: „Ein Koffer voller Geld! Ein Koffer voller Geld!“

In der U 3: Hilfe, eine SMS

An einem tristen Nachmittag in der U3

Ein Paar im Silverageralter.

Sie: Schau mal! (Hält ihm ihr Smartphon entgegen und zeigt eine SMS)

Er (schaut, ohne sie zu kommentieren auf die Nachricht)

Sie: Die andere ist schon älter. Vom Juni oder so.

Er: Mmmmmh.

Sie (klappt das Smartphon zu. Nach einem Moment klappt sie es wieder auf). Ich habe mich immer gewundert, warum sie immer so schnell antwortet, obwohl sie gar nicht zu Hause ist. Jetzt weiß ich’s: Sie hat das auch auf ihrem Handy (klappt das Smartphon wieder zu).

Er (schweigt).

22. Januar, U3: Warum stehen dort Wachen?

Lauschangriff 1: Primark

Drei Schülerinnen in der U3 nach Plieningen, vielleicht zwölf Jahre alt, direkt neben ihnen steht eine Frau mit Primark-Tüte.

Schülerin 1: Also wir kaufen bei Primark nicht ein, das ist alles so billig dort, 2 Euro oder so.

Schülerin 2: Ja, meine Mama hat auch gesagt, das kann ja gar nichts sein, wenn das alles so billig ist. Das ist bestimmt Kinderarbeit.

Schülerin 3: Vor allem, wieso stehen da so Wachen an der Türe, wenn da alles so billig ist?

Ende Dezember, U6: Ey, das sag ich ihm, das geht doch gar nicht.

Mann, knapp über 40, auf dem Weg zum Bahnhof, mit Koffer und Rucksack. Letzteren auf dem Schoß. Knie an Knie gegenüber sitzt ein anderer Mann, offene Lederjacke, etwas über 30. Viril. Ein Handy am Ohr.

Telefonierender: Ey, hab ich ihm gesagt, dass ich mir das nicht gefallen lasse unter Freunden.

(hört auf die Antwort)

Reisender (starrt vor sich hin)

Telefonierender (sehr laut): Das geht doch nicht unter Freunden… (Hört auf die Antwort)

Telefonierender: Das sag ich ihm auch noch mal….

Reisender (rutscht unruhig auf seinem Sitz hin und her und schaut angestrengt mal nach rechts und mal nach links zum Fenster raus. Aber nie auf sein Gegenüber)

Telefonierender (sehr laut): Das sag ich ihm aber nochmal….

Reisender (schaut genervt auf seine Armbanduhr – und zur Seite)

Telefonierender (sehr laut): Und ich hab‘ ihm noch gesagt, er soll sie direkt anrufen, ey.(Hört auf die Antwort)

Telefonierender: Genau, sag ich doch…

Reisender (drückt sich zunehmend verkrampfter in seinen Sitz, drückt den Rucksack mit beiden Armen ganz fest auf seine Brust)

Telefonierender: Ey, das geht gar nicht. Man, nicht so. (Er hat noch immer das Telefon am Ohr. Die Bahn fährt in den Tunnel. Schweigen. Der Telefonierende schaut auf das Display seines Handys. Die Verbindung ist tot.)

Reisender (entspannt sich sichtlich, lässt den Rucksack wieder locker auf seinem Schoß liegen, schaut lächelnd zur Seite)

Januar, U14: Verheiratet?

Ein unheimlich schöner Mann flirtet mit einer Frau, beide etwa Mitte 40:

Sie: Sind Sie verheiratet?

Er: Immer wieder. (Tiefstes Lachen der Welt.)

Januar, Zacke: 234 Nachrichten

Zwei Teenagerinnen unterhalten sich in der Zacke nach Degerloch über die Einladung zu einer Party.

Teenager 1: Ich habe mit Leona schon gestritten, weil er kommt, das ist doch nicht ihr Ernst. Wer hat Bock auf den?

Teenager 2: Schreibe ihr, dass du keine Lust hast auf ihn.

Teenager 2: Nee, lass mal, ich hatte heute Morgen 234 Nachrichten und fast einen Nervenzusammenbruch. Das muss sie selber wissen.

U3: Römer

Drei Sechsjährige in der U3

Kind 1: Ich lade dich zu meinem Geburtstag ein.

Kind 2: Und ich dich.

Kind 3: Ich lade alle meine Freunde ein, damit ich mehr Geschenke bekomme. Zum Beispiel Playmobil, die Römer.

Kind 1: Bei Playmobil kenne ich mich nicht so aus, Römer kenne ich nicht.

Kind 3: Du weißt echt nicht, was Römer sind?

Kind 1: Nein.

Kind 3: Ich habe noch nie jemanden getroffen, der nicht weiß, was Römer sind.

Kind 1 und 2 steigen aus. Kind 3 malt eine Playmobil-Burg auf einen Zettel und spricht mit sich selbst. Über Römer.

Bus 77: Vogelgrippe

Zwei schwäbische Rentnerinnen im Bus 77

Rentnerin 1: Wegen meinen 50 Gramm traue ich mich gar nicht mehr zum Metzger.

Rentnerin 2: Du wir haben auch welche, die bestellen vier Scheiben hier und vier Scheiben da und lassen es dann auch noch vakuumieren.

Rentnerin 1: Und dann das ganze Geschwätz um die Vogelgrippe, das bisschen Vogelgrippe, die Leute haben einfach einen Vogel, wir essen es doch nicht roh.

Morgens in der U7: Sind Sie auch über 50?

Frau, vertieft ihn ihre Zeitung, schaut auf, ihr Blick sagt: Verdammt, in die falsche Bahn gestiegen. Also schnell raus aus der Bahn an der nächsten Haltestelle und zurück auf Anfang.

Mann, Computertasche in der einen Hand, Smartphone in der anderen, bemerkt offensichtlich, dass es ihm genauso ergangen ist. Er checkt den Routenverlauf und merkt, dass es vom Bosper zur Waldau weit ist. Blick auf die Uhr.

Waldau. Beide steigen ganz schnell aus und laufen ziellos den Bahnsteig auf und ab. Auf ihrer Stirn steht die Frage: Wo ist der Übergang zum Bahnsteig, auf dem die Fahrt Retour geht.?

Am Ende des Bahngleises treffen sie aufeinander.

Ratlos.

Er: Wissen Sie wo es hier auf die andere Seite geht?

Sie: Such ich auch gerade.

Er (grinst): Sind Sie auch über 50?

Sie (grinst zurück).

Dann entdecken sie fast zeitgleich die Brücke.

Die Bahn kommt sofort.

Abfahrt ins geordnete Leben.