In dem Systembau an der Klingenbach-Anlage in Gaisburg finden bis zu 36 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Platz. Sie werden rund um die Uhr betreut.

S-Ost - Anfang November sind die ersten Flüchtlinge in die neue Unterkunft an der Klingenbach-Anlage im Stadtteil Gaisburg eingezogen. „Nichts ist so dynamisch wie die Entwicklung der Flüchtlingszahlen“, hat Lucas-Johannes Herzog vom Stuttgarter Jugendamt bei der Vorstellung der Unterkunft im Bezirksbeirat gesagt. Die Geschichte um diesen auf Zeit angelegten Systembau für unbegleitete Minderjährige zeigt das eindrücklich.

 

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – im Verwaltungsdeutsch auch „UMFs“ abgekürzt – bilden eine besondere Gruppe unter den vielen Neuankömmlingen der vergangenen Jahre. Es handelt sich dabei meistens um junge Männer aus Afghanistan, Pakistan, Syrien und afrikanischen Staaten, die sich entweder alleine oder in kleinen Gruppen nach Deutschland durchgeschlagen haben. Die meisten kommen ohne Papiere, 70 Prozent von ihnen sind tatsächlich minderjährig. Der jüngste sind alleine in der Stadt angekommene Flüchtling war gerade zehn Jahre alt.

2015 kamen rund 1000 Jugendliche auf der Flucht hier an

Für diese tatsächlich minderjährigen Flüchtlinge gilt das Kinder- und Jugendhilferecht. Das heißt, sie werden in eigenen Unterkünften rund um die Uhr besonders betreut. Im Jahr 2014 wurden in Stuttgart rund 260 minderjährige Flüchtlinge registriert. Das war für die Stadt noch organisierbar. Im vergangenen Jahr kamen rund 1000 Jugendliche auf der Flucht in Stuttgart an. Plötzlich gab es für sie – wie für alle anderen Flüchtlinge auch – viel zu wenig Plätze in den Unterkünften der Stadt, neue mussten geschaffen werden. In diesem Jahr liegt die Zahl bisher bei 122.

In den vergangenen Jahren waren im Stadtbezirk Stuttgart-Ost wegen des ohnehin hohen Anteils an Einwohnern mit Migrationshintergrund und der in manchen Quartieren problematischen sozialen Situation nur wenige Flüchtlinge untergebracht worden. Auf der Suche nach freien städtischen Grundstücken, auf denen Systembauten errichtet werden konnten, wurde die Stadt aber im vergangenen Jahr im Osten fündig: An der Straße am Klingenbach gab es eine als Parkplatz genutztes Grundstück, das mittelfristig für die Erweiterung der benachbarten Schule vorgesehen war. Im Oktober 2015 wurde bekannt, dass dort ein Systembau geplant wurde, in dem nach ersten Angaben der Stadt rund 80 minderjährige Flüchtlinge untergebracht werden sollten.

In den benachbarten Wohnhäusern mit Eigentumswohnungen, die zum Teil erst wenige Jahre vorher bezogen worden waren, sorgte diese zunächst wenig präzise Nachricht zunächst für große Aufregung. Da wurde befürchtet, dass die Aussicht auf die Klingenbach-Anlage verbaut, die Gegend unsicherer und die Wohnungen weniger wert werden würden. Der bereits erwähnte Lucas-Johannes Herzog, der im Jugendamt die Abteilung Erziehungshilfen leitet, konnte die Gemüter dann in einer Bezirksbeiratssitzung mit Hilfe von umfangreichen und detaillierten Informationen beruhigen.

Die Nachbarn sind nett

Herzog hatte schon damals davon gesprochen, dass in der Unterkunft nur 40 Jugendliche untergebracht würden. Jetzt war Herzog wieder im Bezirksbeirat und lieferte weitere Informationen. Der neue Systembau an der Klingenbach-Anlage bietet Platz für 36 Bewohner. Am 2. November zogen die ersten 18 jungen Männer dort ein. Sie kamen aus einer Interimseinrichtung in Vaihingen, die dank des Neubaus aufgegeben werden konnte. Seitdem sind fünf der Flüchtlinge wieder ausgezogen, dem stehen acht Einzüge gegenüber.

Die Flüchtlinge werden dort rund um die Uhr betreut, alle besuchen Sprachschulen, fünf der Bewohner lernen inzwischen in Schulen im Umfeld. „Uns geht es gut da“, sagte eine Mitarbeiterin. Die Nachbarn seien nett, man sei gut aufgenommen worden. Anfang November gab es ein Einweihungsfest, zu dem alle Nachbarn per Infobrief eingeladen waren und zu dem auch viele kamen.

Durch den direkten Kontakt konnten auch einige kleinere Probleme schon auf kurzem Weg geklärt werden. So waren um die Unterkunft Straßenleuchten aufgestellt worden, die zum Teil die Nachbarwohnungen unerwünschterweise erhellten. Diese Leuchten wurden inzwischen entsprechen abgeblendet.