Manteldesk: Mirko Weber (miw)


Trotzdem saßen die Leute auf dem Sofa und nahmen dem Polizisten übel, denn George spielte Schimanski als machismohaften Krawallheimer mit Diktion aus der Gosse und war ständig auf Kriegsfuß mit Vorschriften und Vorgesetzten. Schwierig auseinanderzuhalten ist bis heute, wo die tatsächliche Ruhrgebietsproletenprosa aufhört und, verzweifelt pathetisch manchmal, in Pottprollparodie übergeht. Mitunter kam einem der Hauptkommissar schon auch vor wie der Hauptmann in Büchners "Woyzeck", der da ein seltsames Wort im Munde führt: "Moral ist, wenn man moralisch ist." Auf Schimanskisch hieß das: "Kannse nich machen, Kerl!", allerdings fand er sich persönlich öfter ausgenommen von der Regel.

Anfang der Neunziger hörte George mit dem Schimanski ein Weilchen auf, kehrte aber wieder zurück, um ausgerechnet den Mord an seinem ehemaligen Assistenten Thanner (Eberhard Feik) aufzuklären. Wer's war? Polizisten natürlich, wie überhaupt die Polizei als Apparat nie sonderlich gut wegkommt. Andererseits: Wie könnte sie viel besser sein als die Gesellschaft, mit der sie's aufnehmen muss? Auch "Schuld und Sühne" dekliniert dieses Thema teils virtuos wieder durch, in All-Star-Besetzung (Kriener, Jaenicke) und einem Schimanski über fallenden Akkorden, den Götz George mit der Weisheit dessen spielt, der ahnt, dass er sich, auch altersbedingt, allmählich in einer Art artridischen Endspieltragödie befindet. Der Unterschied ist: Horst Schimanski findet immer noch einen Notausgang. Ist George hindurch, hat er auch diesmal wieder ein großes Kunststück vollbracht: man mag ihn, obwohl man weiß, wie er ist.

ARD, Sonntag, 30. Januar, 20.15