Anfang des Jahres hat sich der Verein Union Europäisch-Türkischer Demokraten Ludwigsburg gegründet. Die Mitglieder wollen der Islamfeindlichkeit entgegentreten und zwischen Deutschen und türkischen Migranten vermitteln, sagt der Vorsitzende Erol Ayan.

Ludwigsburg – - Erol Ayan lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland – fühlt sich aber oft behandelt wie ein Fremder. Als Vorsitzender des Vereins Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) will er dafür sorgen, dass die türkischen Migranten besser in die Gesellschaft integriert werden. Lobby-Arbeit für die türkische Regierungspartei AKP, wie sie der UETD-Zentrale in Köln nachgesagt wird, betreibe man in Ludwigsburg aber keinesfalls, so Ayan.
Herr Ayan, Sie haben jüngst den Verein Union Europäisch-Türkischer Demokraten Ludwigsburg mit gegründet. Es gibt bereits türkische Vereine in Ludwigsburg, wozu brauchen Sie noch einen weiteren?
Es gibt schon einige türkische Kulturvereine in Ludwigsburg, das stimmt. Viele von unseren Gründungsmitgliedern waren auch jahrelang Mitglied in einem dieser Vereine. Aber sie kümmern sich nicht um die Dinge, die aus unserer Sicht notwendig sind. Wir wollen hier nicht mehr in einer Parallelgesellschaft leben, sondern wir wollen die Gesellschaft mitgestalten. Viele unserer Eltern sind schon seit über 50 Jahren hier und trotzdem erleben wir jeden Tag, dass wir immer noch als Fremde angesehen und behandelt werden. Erst recht, seit in den Medien fast täglich von islamistischem Terror die Rede ist.
Spüren Sie eine verstärkte Fremdenfeindlichkeit am eigenen Leib?
Weltweit steigt die Angst vor dem Islam und die Islamfeindlichkeit. Es vergeht kaum eine Woche, in der keine negativen Nachrichten über den Islam verbreitet werden – oder über Migranten, mit denen letztlich eigentlich immer türkische Einwanderer gemeint sind. Bei den Leuten bleiben dann Vorurteile hängen, die gar nicht der Realität entsprechen. Wir Menschen mit türkischer Herkunft haben ständig Erlebnisse, die man als fremdenfeindlich oder gar rechtsradikal bezeichnen kann – das sind keine Ausnahmen, sondern es stört uns im täglichen Leben.
Was wollen Sie tun?
Wir wollen die Interessen der türkischen Migranten in der hiesigen Gesellschaft vertreten – und zwar auf verschiedene Weisen. Zum einen gibt es eine riesige Informationslücke, was den Islam betrifft. Deshalb wollen wir auf unserer Homepage über den Islam und den Koran informieren. Aber wir wollen auch bei uns selbst anfangen und etwas für die Bildung der türkischen Migranten tun. Wir haben vor, Seminare für Schüler, angehende Studenten und Eltern anzubieten, in denen das deutsche Bildungssystem erklärt wird. Viele wissen gar nicht genau, wie es funktioniert. Außerdem wollen wir zwischen Eltern und Lehrern vermitteln, weil es – auch aufgrund von Sprachproblemen – oft zu Missverständnissen kommt und man nicht zusammenfindet. Ganz wichtig ist uns auch die Jugendarbeit.
Inwiefern?
Wir wollen junge Migranten auf ihrem Weg in die Berufswelt beraten. Uns geht es darum, ihnen potenzielle Jobmöglichkeiten aufzuzeigen oder sie bei der Auswahl der Studienfächer zu unterstützen. Aber da ist noch ein anderer Punkt: Es gibt viele türkische Familien und Jugendliche, die ständig Probleme mit den Jugendämtern haben. Wir sind überzeugt, dass es hier oft an Kommunikation mangelt und dass Missverständnisse wegen kultureller Unterschiede entstehen. Wir würden gern eine Vermittlerrolle zwischen den Familien und Jugendlichen und den Jugendämtern einnehmen, damit eine tragbare Lösung für alle Beteiligten gefunden werden kann.
Aber Sie konzentrieren sich ausschließlich auf türkische Migranten?
Es geht nicht darum, dass wir anderen nicht helfen wollen. Aber unser Pluspunkt ist, dass wir sowohl die deutsche als auch die türkische Kultur sehr gut kennen. Ich denke, wir können oft besser verstehen, warum sich ein Bürger mit türkischer Herkunft in einer bestimmten Art verhält, weil wir die Hintergründe dazu kennen. Auf der anderen Seite können wir sicher auch gut deutsche Verhaltensweisen erklären. Wir glauben, dass wir ganz gut zwischen diesen beiden Kulturen vermitteln können.
Wollen Sie auch in der Türkei aktiv sein?
Wir wollen nicht nur hier lebende Migranten unterstützen, sondern auch Türken, die lange in Deutschland waren. Manche, die 50 Jahre lang hier gelebt haben, sind im Rentenalter zurück in die Türkei gegangen – viele pendeln sogar zwischen den beiden Ländern. Die Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen bringt viele Probleme mit sich. Diese treten insbesondere im Rentenalter zu Tage, wenn bürokratische Dinge geregelt werden müssen, mit denen sich viele in keinem der beiden Länder auskennen. Außerdem gab es in der Türkei bis vor Kurzem zum Beispiel keine Altenheime. Doch wenn die Kinder in Deutschland bleiben, müssen sich die Eltern in der Türkei etwas für eine eventuelle Pflege überlegen. Wir wollen bei diesen Dingen helfen, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern.
Dem bundesweit aktiven Verein der Union Europäisch-Türkischer Demokraten wird nachgesagt, ein Lobby-Verein für Erdogans Partei AKP zu sein. Wie halten Sie es?
Wir unterstützen die Entwicklungen in den Gebieten Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur in der Türkei, die in den vergangenen Jahren unter Erdogan sehr positiv waren. Aber es stimmt nicht, dass wir Lobby-Arbeit für die AKP betreiben. Wir haben nach langem Überlegen beschlossen, die UETD als bekannte Plattform zu nutzen – aber hauptsächlich, um möglichst schnell und zielorientiert mit unseren Aktionen starten zu können. Wir wollen vor allem die Gesellschaft hier mitgestalten und die Lebensqualität der Menschen verbessern. Deshalb haben wir nicht vor, eine politische Partei in der Türkei zu unterstützen, sondern wir wollen vielmehr Mitglieder in deutschen Parteien werden. Aber das ist eher ein langfristiges Ziel.