Der Sänger covert auf seinem Album „Mit freundlichen Grüßen“ Stars der deutschen Pop-Szene. Leider ist es ist lieblos billig produziert.

Stuttgart - Huch, da quietscht etwas. Ein Bläsersatz – oder doch nur ein Keyboard? Und dann diese joviale Inbrunst: „Junge – warum hast du nichts gelernt?“ Um es vorwegzunehmen: Heino (74) singt auch auf seinem Pop-und-Rock-und-Hip-Hop-Cover-Album mit diesem penetrant unternehmungslustigen Stimmduktus, den man sich gut bei einem Familienvater in den 1950er Jahren vorstellen könnte, der seine missmutigen Kinder und seine erschöpfte Frau Stunden lang einen viel zu hohen Berg im Allgäu hochtreibt.

 

Diese Stellt-euch-nicht-so-an-Stimme ist das, was neben seiner merkwürdigen Heimattümelei seit bald einem halben Jahrhundert am meisten an Heinz Georg Kramm, alias Heino, befremdet. Und diese Stellt-euch-nicht-so-an-Stimme benutzt Heino auch, wenn er „Junge“ von der Punkrockband Die Ärzte singt. Das ist ein Lied, das im Original ätzend sarkastisch klingt, aber in der Version des volkstümlichen Sängers zur plumpen Comedy verkommt oder auch empört ernst gemeint sein könnte – je nach Gestimmtheit des Hörers. Textprobe: „Und wie du wieder aussiehst, Löcher in der Hose, und ständig dieser Lärm!“

Heißestes Album in Deutschland?

Das mit dem Lärm ist so eine Sache. Und das mit der Stimme erst recht: Die von Benedikt von Stauffenberg, Manager bei Heinos Plattenfirma Starwatch, bekommt man derzeit kaum zu hören, weil sein Telefon dauernd besetzt ist. Viele rufen bei dem Musiklabel der Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe an und wollen etwas. Zum Beispiel ein Vorab-Rezensionsexemplar von Heinos neuem Album „Mit freundlichen Grüßen“, das am Freitag auf den Markt kommt. Aber das verschickt er nicht. So sei die „Policy“, sagt er – aber sogenannte Snippets verschickt er gerne. Das sind halbminütige Klangschnipsel von dem Werk, das der Musikmanager euphorisch als das „derzeit heißeste Album in Deutschland“ bezeichnet.

Und da beginnt der Lärm: Die „Bild“-Zeitung hat Ende vergangener Woche auf ihrer ersten Seite großflächig über einen angeblichen „Rocker-Krieg gegen Heino“ berichtet, „weil er die Ärzte und Rammstein ,nachmacht’“, wie „Bild“ das künstlerische Verfahren nennt, das alle, die sich auch nur ein bisschen für Musik interessieren, üblicherweise als „covern“ bezeichnen. Aber Krieg gibt’s deshalb nicht, weil nämlich jeder jeden covern darf so oft er will, auch ohne Erlaubnis, sofern Text und Melodie des Originals nicht verändert werden. Der achtfachen Grammy-Gewinnerin Adele etwa gelang einst der Durchbruch mit einem Lied, das Bob Dylan geschrieben hatte: „Make you feel my Love“. Coverversionen sind eine doppelt feine Sache: Sie bescheren dem Urheber über Verkäufe, Radio- und Bühnenaufführungen zuweilen ein erkleckliches Zubrot. Und sie bescheren dem Hörer mitunter unentdeckte Facetten bekannter Songs.

Verblüffend harmlose Rammstein

Das funktioniert auch im Fall Heino: Die „Gewinner“ von Clueso – ursprünglich ein melancholisch verhangenes Lied – präsentiert er als hoppelnden Fernfahrer-Country. „MfG“ von den Fantastischen Vier verhackstückt Heino ohne die Hip-Hop-Beats des Originals zu einer Art Turbo-Wanderlied, und die „Sonne“ von Rammstein blinzelt ohne die brachialen Gitarrenwände der Band verblüffend harmlos durch die aufgeblasenen Bläserwölkchen. Auch Heinos aufgeplusterte Versionen von Nenas „Leuchtturm“, und Westernhagens „Willenlos“ führen uns vor Augen, dass es kaum einen Songtext und kaum eine Gesangsmelodie gibt, die von selbst in eine der Schubladen „Popmusik“ oder „Volkstümlicher Schlager“ purzeln. Das Arrangement des Ganzen schubst sie meist irgendwo rein.

Leider haben sich Heinos Produzenten wenig Mühe gegeben, die Klangsprache der Popstars zu dechiffrieren: Die immer gleichen Keyboard-Bläsersätze sollen seinen „Freundlichen Grüßen“ Kraft verleihen; das immer gleiche digitale Glockenspiel müht sich vergeblich um Zauber. Heinos neues Album ist lieblos billig produziert. Vor allem dieser kreative Geiz verleiht Heinos aufbruchsseliger Stellt-euch-nicht-so-an-Stimme eine gewisse Komik. Aber das ist zu wenig für einen Sänger, der jetzt aus dem Ruhestand heraus mit Totenkopfring als Rächer der Verhöhnten posiert.