Aus der Erfahrung mit einer Krebserkrankung heraus haben die Vorsitzende des TSV Waldenbuch und ihre Stellvertreterin ein neues Kursangebot kreiert.

Waldenbuch - Sport ist gesund. Die Floskel wird gern bemüht, wenn der Junior mal wieder keine Lust aufs Fußballtraining hat oder die Anziehungskraft des Fernsehsessels größer ist als die Begeisterung für die wöchentliche Joggingrunde. Für Manuela Kircher und Stefanie Jäger-Reinauer haben die Worte eine tiefere Bedeutung. Die Waldenbucher TSV-Vorsitzende und ihre Stellvertreterin verknüpfen damit eine ganz besondere, persönliche Geschichte. Beide Frauen waren an Krebs erkrankt und haben gestärkt durch den Sport zurück ins Leben gefunden. Von ihren Erfahrungen sollen auch andere profitieren. Am 24. April startet der Verein ein neues Reha-Kursangebot, das speziell auf die Bedürfnisse von Krebspatienten zugeschnitten ist.

 

Als Stefanie Jäger-Reinauer Ende 2011 zum ersten Mal den Knoten in ihrer Brust ertastet, ist sie auf dem Höhepunkt der körperlichen Leistungsfähigkeit. „Ich hatte gerade die Bezirksmeisterschaften gewonnen und fühlte mich so gut wie nie zuvor“, erinnert sich die passionierte Tennisspielerin. Die Diagnose ist ein Schock. „Man ist wie aus dem Leben genommen. Die Uhr bleibt stehen“, sagt sie. Der behandelnde Mediziner im Stuttgarter Katharinenhospital macht Mut und setzt die Zeiger vorsichtig wieder in Bewegung. Er baut seine Patientin auf. „Sie sind sportlich und werden schnell wieder auf die Beine kommen. Das Match gewinnen wir“, versichert er.

Kampf mit einem schwierigen Gegner

Damit hat der Arzt den richtigen Ton getroffen. Die Prognose ist gut und in der ambitionierten Hobby-Sportlerin erwacht der Kampfgeist. Ihr Ziel hat sie fest im Blick: „Ich habe mir meinen Pokal angeschaut und beschlossen: Da willst du wieder hin.“ In den nächsten Monaten hat es die 49-Jährige mit ihrem schwierigsten Gegner zu tun. Den Umgang mit Niederlagen und Fähigkeiten wie Ausdauer, Wille und Durchhaltevermögen hat sie auf dem Tennisplatz trainiert – das hilft auch jetzt. „Das Gefühl, sportlich wieder aktiv zu sein, hat mir das Vertrauen in meinen Körper zurückgegeben“, sagt sie.

Sieben Wochen nach der ersten Operation klinkt sich Stefanie Jäger-Reinauer ins Training ihrer Damenmannschaft wieder ein. Auch wenn noch nicht alles geht – die Bewegung tut gut. Die Anteilnahme und die aufmunternden Worte tun es auch. „Man ist sehr angreifbar in dieser Zeit. Die Solidarität in der Gruppe hat unheimlich gut getan und dabei geholfen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen“, erinnert sie sich.

Keine Rückkehr in den geliebten Beruf

Sport ist ein Aspekt der Genesung, der auf ganz unterschiedlichen Ebenen viel bewirken kann. Manuela Kircher hat auf ihre Weise davon profitiert. Nach dem Eingriff Ende 2012 erholt sie sich nur langsam. An körperliche Belastung ist erst einmal nicht zu denken. Doch zum Sport gehören auch Faktoren wie Teamgeist und Solidarität. Beides findet die TSV-Vorsitzende im Verein. „Ich konnte meinen geliebten Beruf als Lehrerin nicht mehr ausüben. Das war sehr hart. Im TSV hat man mich weiterhin als Teil des Teams wahrgenommen und mich mitgetragen“, berichtet sie.

Als nach der Behandlung die Energie zurückkommt, spürt Kircher, dass sie den aktiven Sport aus der Zeit ihrer Reha nicht mehr missen möchte. Sie beginnt zu walken. „Es ist ein gutes Gefühl, wenn man jeden Tag ein Stückchen weiter kommt“, stellt sie fest. Ein steiler Anstieg über Waldenbuch symbolisiert während dieser Phase ihren Weg aus dem Tief: „Man muss das Gebirge übersteigen, das vor einem liegt.“

„Sport wirkt wie eine kleine Chemotherapie“

Mittlerweile ist die Tour mit den Stöcken durch die Felder kein Problem mehr und fest im Terminkalender eingeplant. Denn die Krankheit bleibt Teil ihrer Geschichte. Natürlich gibt es die Sorge darum, ob die Heilung von Dauer ist. Doch mit solchen Gedanken halten sich die beiden Frauen nicht auf. Sie haben beschlossen: „Gedankenmüll wird sofort entsorgt.“ Lieber bleiben sie aktiv und genießen die Möglichkeit, wieder etwas bewegen zu können. Manuela Kircher lässt sich von der Empfehlung ihres Arztes inspirieren. Er hat den Satz geprägt: „Regelmäßiger Sport ist so wirksam wie eine kleine Chemotherapie.“ Dieser Gedanke hat die 41-Jährige beschäftigt, und mit Stefanie Jäger-Reinauer kam sie zu dem Ergebnis: „Wir haben im TSV zwar ein tolles Sportangebot, aber im Reha-Bereich sind für Krebspatienten längere Anfahrtswege nach Sindelfingen oder Böblingen nötig.“ Das soll sich nun ändern. Die TSV-Chefin hat in den vergangenen Monaten die Übungsleiterlizenz für Sport in der Krebsnachsorge erworben und beginnt mit einem neuen Kurs.

„Ich möchte meine Erfahrungen weitergeben und die Teilnehmer dabei unterstützen, ins Leben zurückzufinden“, hat sich Manuela Kircher vorgenommen. Dabei hält sie es für besonders wichtig, dass jeder oder jede entsprechend der persönlichen Belastungsgrenze gefordert und gefördert wird. Kircher setzt auf individuelle Lösungen: „Jeder Krebspatient hat eine andere Geschichte. Was dem einen gut tut, muss für den anderen nicht richtig sein.“

Nach zwei Jahren wieder auf dem Siegerpodest

Das TSV-Führungsduo selbst liefert den Beweis dafür. Während Manuela Kircher beim flotten Walken körperliches Wohlbehagen spürt, fühlt sich ihre Vorstandskollegin erst nach einem mehrstündigen Tennis-Match so richtig gut. Vor allem dann, wenn ein solches Spiel den Neustart markiert. Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach ihrer Krebsdiagnose hat Stefanie Jäger-Reinauer ihr großes Ziel erreicht und ist bei den Bezirksmeisterschaften der Tennis-Damen erneut aufs Siegerpodest gestiegen. Der Augenblick bleibt unvergessen: „Das war einer der schönsten Momente meines Lebens.“

Spezielles Angebot

Der TSV Waldenbuch unterstützt Menschen nach einer Krebserkrankung mit einem speziellen Bewegungs- und Sportangebot bei der Rückkehr in den Alltag. Der Kurs „Sport nach Krebs“ beginnt am Freitag, 24. April, und findet jeweils von 17 bis 18 Uhr statt. Zu den Zielen des Angebots gehören unter anderem der Spaß an der Bewegung, die Stabilisierung des Selbstwertgefühls, die Verminderung funktioneller Einschränkungen sowie die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und des seelischen Wohnbefindens. Die Kursleitung hat Manuela Kircher. Liegt ein Rezept vom Arzt vor, werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Anmeldung und Information in der TSV-Geschäftsstelle bei Ulrike Deinaß unter Telefon 0 71 57/2 76 18 oder unter info@tsv-waldenbuch.de