Buntes Treiben herrschte am Samstag im Innenhof des Alten Waisenhauses am Charlottenplatz. Denn hier präsentierten sich Gruppen, die im neuen Welthaus engagiert sind. Derweil wurden drinnen im Welcome Center Fragen des Alltags und der Flüchtlingspolitik diskutiert.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Volker Kleff lässt sich auf dem Hocker vor der Kamera nieder. Wenn es darum geht, „dem Willkommen ein Gesicht“ zu geben, ist Kleff gerne dabei. Bei dem Fotoprojekt des Medienkünstlers Wolf Nkole Helzle können sich Menschen jedweder Herkunft fotografieren lassen, zuletzt werden alle Bilder übereinander gelegt und verschmelzen zu einem gemeinsamen, multinationalen Gesicht. Die Kunstaktion ist Teil der Eröffnung des neuen Welcome Centers im Alten Waisenhaus. „Das ist fantastisch“, ist Volker Kleff begeistert. Nicht nur, dass das Welcome Center und das Welthaus hier unter einem Dach sind. „Es ist mit diesen tollen Farben auch sehr schön geworden“, findet Kleff.

 

Es ist ein reges Kommen und Gehen an diesem Samstag nach der offiziellen Eröffnung des Welcome Centers, es ist Tag der offenen Tür. Im Innenhof des Alten Waisenhauses am Charlottenplatz stellen sich verschiedene Gruppen, die im neuen Welthaus engagiert sind, mit Ständen vor. Das Weltcafé bietet Couscous mit Gemüse, frittierte Kochbanane mit Dip und Reis mit Pondu – das sind Maniokblätter. Nebenan warten Colon Bällchen auf Käufer, in Fett gebackene und mit Kokosflocken bestreute Teigbällchen, eine Spezialität aus Mosambik.

Das Welthaus bietet eine Perspektive

Das Kinderhilfswerk Terre des hommes hat einen Bastelstand für Kinder aufgestellt. Martin Gürtler, der Vorsitzende des Präsidiums der Stuttgarter Arbeitsgruppe, ist angetan von der neuen Einrichtung. „Dadurch bekommen wir mehr Kontakte zu anderen Initiativen“, sagt Gürtler. Das macht es leichter, gemeinsame Projekt zu organisieren. Um zu illustrieren, was er damit meint, zieht der Terre-des-hommes-Aktivist eine Flasche aus dem Rucksack, die Saft von Mangos und von Äpfeln enthält, abgefüllt in der Mosterei im nahegelegenen Altbach. „Die Mangos sind fair gehandelt, die Äpfel stammen von Streuobstwiesen von hier“, erklärt Gürtler. Die Gruppe von Terre des hommes hat keine eigenen Räume, da bietet das Welthaus jetzt eine Perspektive. „Nun können wir die Räume hier für Veranstaltungen nutzen“, sagt Gürtler.

Im ersten Obergeschoss findet eben die „erste öffentliche Veranstaltung“ im neuen Welthaus statt, wie Moderator Ulrich Morgenthaler vom Kulturzentrum Forum 3 betont. Thema der Diskussion: „Flüchtlinge in Stuttgart – Zweiklassengesellschaft?“ Rex Osa vom Netzwerk Flüchtlinge für Flüchtlinge sorgt für Widerspruch, als er die Gemeinschaftsunterkünfte in Stuttgart als „Lager“ bezeichnet, wo „Isolation und Kontrolle“ herrsche. Osa, der 2005 aus Nigeria geflohen ist, fordert, Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen, es gebe viel Leerstand. Jama Maqsudi von der Flüchtlingsberatung AGDW widerspricht. „Das wäre wünschenswert, ist in der Realität aber nicht möglich“, sagt der gebürtige Afghane, der seit 41 Jahren in Stuttgart lebt. Als Lager könne man die heutigen Gemeinschaftsunterkünfte nicht bezeichnen. Diese hätten gegenüber Einzelwohnungen sogar den Vorteil, dass ankommende Flüchtlinge kurze Wege zur Beratung hätten und so schnell Orientierung fänden. Allerdings würde auch er sich wünschen, dass die neuen Systembauten etwas kleiner wären, sagte Jama Maqsudi. Und Georg Ceschan, der den Migrationsdienst der AWO leitet, erklärt: „Auch wenn nicht alles Gold ist, kann man mit der Situation doch zufrieden sein.“

Die Debatte findet im Globalen Klassenzimmer statt, wo für Schulklassen Bildungsangebote gemacht werden. „Wo kommt Schokolade eigentlich her? Was ist Globalisierung?“ sind zwei Fragen, die als Beispiele auf einem großen Plakat stehen. Auf Tischen und in Regalen steht Kunsthandwerk, Bücher über Afrika, Fotos mit Bildern etwa aus Mali, der Türkei, aus Tschad, Kuba und Ecuador befassen sich mit dem Thema „So essen sie“.

Beratung im Welcome Center

Im Welcome Center im Erdgeschoss läuft der Beratungsbetrieb. Ein Paar, er aus Armenien, sie aus Italien und beide ohne Krankenversicherung, lassen sich erklären, was zu tun ist; ein Paar aus Bulgarien, beide Biologen, erkundigen sich nach Arbeitsmöglichkeiten. „Wir haben etliche Termine für die nächste Woche vergeben“, sagte Jitka Stredova vom Welcome Center, die aus Tschechien stammt. Ein Vertreter der Agentur für Arbeit wird dann Fragen beantworten, in englischer Sprache.

Die Nachfrage nach Beratung ist schon beträchtlich. Zwischen 60 und 70 Prozent der Menschen kommen aus Ländern der EU, schätzt Suzana Hofmann. Viele erkundigen sich nach Deutschkursen, bei etwa einem Viertel geht es um die Stellensuche, etwa um die Anerkennung von Zeugnissen. Aber Suzana Hofmann, die selbst vor Jahren aus Makedonien zugewandert ist, betont: „Es geht nicht nur um Papiere. Wir unterstützen die Menschen auch seelisch und emotional. Die brauchen das.“