Nach ihrem Umbau verwandelte sich die Neuhauser Straße in Plieningen in eine Gefahrenzone. Die Stadt hat das registriert – und reagiert. Für sie ist das Thema abgeschlossen, für die Anwohner hingegen ganz und gar nicht.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Patricia Teifke wird sich nicht besänftigen lassen, solange sich vor ihrer Haustür nichts verändert. „Ich werde keine Ruhe geben“, sagt die Plieningerin. Der Brief, den sie im Dezember an die Stadt Stuttgart geschrieben hat, sei recht freundlich formuliert gewesen. Der nächste, so er denn nötig werden sollte, werde im Ton sicherlich schärfer, kündigt Teifke an.

 

Die Angst kommt nicht von ungefähr

Im höflichen Brief steht, dass sie einen Poller für den Gehwegrand vor ihrem Haus an der Neuhauser Straße fordert. Damit sie ihre sieben Monate alte Tochter wieder furchtlos durch die Kellertür aufs Trottoir schieben kann. Die Angst der Mutter kommt nicht von ungefähr, „da es schon mehrmals der Fall war, dass ich samt Kinderwagen und Hund beinahe angefahren wurde“, schreibt sie. „Zum Glück konnte ich noch rechtzeitig wieder zurück ins Haus.“ Teifke fragt sich, ob hier wirklich das Glück entscheiden sollte. „Wenn mir nur einmal fast was passiert wäre, würde ich ja gar nichts sagen.“ Doch die Straße wird ihr tagtäglich gefährlich, sagt sie.

Dass sich die Neuhauser Straße seit ihrem Umbau im Frühjahr 2014 in eine Gefahrenzone verwandelt hat, haben auch die Ämter der Stadt Stuttgart registriert. Die Fahrbahn ist zwischen der Stadtteilbücherei und dem Abzweig zum Wilhelm-Hertig-Weg zwei Meter schmaler als früher. Das ist den Gehwegen geschuldet, die es neuerdings beiderseits gibt, bisher war es nur einer. Verschärft wird die Lage dadurch, dass die Gehwege nahezu ebenerdig sind – eine Einladung für Autofahrer bei Gegenverkehr. Denn wenn auf einer Seite geparkt wurde, passten – regulär – keine zwei Autos gleichzeitig durch.

Den Verkehrsfluss portionieren

Die Stadt hat reagiert – mit einem Versuch. Sie hat an manchen Stellen ein Halteverbot verhängt, so kommen Autos besser aneinander vorbei. Zudem sind Parkplätze – zunächst in gelber Farbe – markiert worden; sie sollen den Verkehrsfluss portionieren. Diese Maßnahmen sollten ein erster Schritt sein. Die Bezirksbeiräte hatten die Stadt im Jahr 2014 gebeten, schnell zu handeln. Neben dem Versuch sollte die Stadt verschiedene Optionen prüfen, so zum Beispiel eine Einbahnstraßenregelung und eine Temporeduzierung – sollten die eingeleiteten Schritte keinen Effekt zeitigen.

Eben über diesen Punkt herrscht nun Uneinigkeit. Karin Grüner von der Straßenverkehrsbehörde sagt: „Die Resonanz war positiv.“ Entsprechend sei auch ihr Eindruck gewesen, als sie sich selbst ein Bild an der Neuhauser Straße gemacht habe. Die Parkplätze würden deshalb bald in Weiß auf der Fahrbahn markiert werden.

Ob die Anwohner die gewünschten Poller am Gehwegrand bekommen, ist mehr als ungewiss. „Poller wünschen sich viele“, sagt Grüner. „Doch sie sollen nur sehr restriktiv zum Zuge kommen.“ Und auch sonst sieht die Stadt „im Moment keine Erfordernis“ für weitere Maßnahmen. „Wir werden das Verkehrsgeschehen weiter im Auge behalten, an so neuralgischen Stellen erst recht“, sagt sie. Doch das Thema sei für die Stadt einstweilen abgeschlossen.

Nicht so für die Anwohner. Die Lage habe sich zwar schon verbessert, sagt Nicole Maier. „Es ist aber schon noch wahnsinnig gefährlich.“ Sie könne ihre Kinder nicht unbeaufsichtigt rauslassen. Sobald es sich auf der Autobahn staue, herrsche Chaos vor ihrer Tür. Das bestätigt Susanne Hoepfner. Wenn sie etwas über die Verkehrslage auf der A 8 wissen wolle, „muss ich nicht mehr Radio hören, sondern einfach nur aus dem Fenster schauen. Es gibt hier einige, die einen Brass haben“. Weshalb sie wieder einen Brief an die Stadt und die Bezirksbeiräte geschrieben, wenn auch noch nicht abgeschickt hat. Sie will erst Fotos auf CD brennen, Fotos von gefährlichen Szenen, die sie mit der Kamera festgehalten hat.

Anwohner wundern sich über die Stadt

Angelika Greiner wundert sich, dass die Stadt das Verkehrsproblem Neuhauser Straße als gelöst ansieht. „Ich muss weiterhin schauen, dass ich nicht überfahren werde, wenn ich aus der Garage komme“, sagt sie. „Das geht einfach nicht. Aber die Leute halten sich an keine Verkehrsregeln.“ Eine Beobachtung, die Jasmina Hauck auch gemacht hat. Sie ist die Inhaberin eines Friseursalons an der Neuhauser Straße. „Ich finde, die Leute fahren noch aggressiver wegen der Parkbuchten“, sagt sie. Sie und ihre Mitarbeiterin hätten sich von Autofahrern schon allerlei Unverschämtes anhören müssen, wenn sie auf dem Gehweg – und damit im Weg – gestanden hätten.

Patricia Teifke ist also nicht allein mit ihrer Meinung, dass sich etwas ändern muss. „Das Maß ist voll“, sagt die Plieningerin. Sie würde den Poller am Gehweg sogar privat bezahlen, sagt sie. „Er wäre ja zum Schutz meiner Familie.“