Die Stadt Waiblingen will die im Jahr 1980 im Beinsteiner Torturm vom Csávolyer Verein eingerichtete Ausstellung bis zur Remstalgartenschau 2019 aktualisieren und durch einen Raum über Migration und Vertreibung ergänzen.

Waiblingen - Eine komplett eingerichtete bürgerliche Wohnstube mit prächtigen Möbeln, eine ebenfalls schön ausgestattete Schlafstube, eine Küche mit allerlei Hausrat – das sind nur einige der Schätze, die hinter den dicken Mauern des Beinsteiner Torturms in Waiblingen verborgen sind. Sie alle sind Bestandteile der Csávolyer Heimatstube (siehe „Wahrzeichen der Stadt“), die der Csávolyer Heimatverein vor mehr als drei Jahrzehnten in dem mittelalterlichen Stadtturm eingerichtet hat.

 

Der Verein hat sich vor etwa zwei Jahren aufgelöst – viele Mitglieder sind verstorben, die übrig Gebliebenen sind mittlerweile so betagt, dass sie die Aufsicht und Betreuung der Heimatstube nicht mehr stemmen können. Doch auch die 1980 eingerichtete Ausstellung selbst sei in die Jahre gekommen, hat der Stadthistoriker Uwe Heckert am Donnerstagabend im Kulturausschuss erläutert. Obendrein seien Sanierungsarbeiten am Gebäude, die im Jahr 2012 und 2013 vorgenommen wurden, nicht spurlos an ihr vorbeigegangen. So verhinderten beispielsweise neue Einbauten, dass die teils anderswo platzierten Exponate wieder an ihren ursprünglichen Standort zurückgestellt werden können.

Aus fünf Ebenen sollen sechs werden

Den Mitgliedern des Kulturausschusses hat Heckert daher eine Neukonzeption der Heimatstube vorgeschlagen. Denn die Themen Vertreibung, Flucht und Neuanfang, die sie beleuchtet, sind plötzlich wieder hochaktuell. Heckert plant allerdings keine Radikalkur, sondern plädiert für eine behutsame Modernisierung. Bestehendes soll erhalten und ergänzt werden, etwa durch erklärende Beschriftungen. Über die Kücheninszenierung auf der dritten Ebene des Turms beispielsweise sagte Heckert: „Die spricht für sich, da gibt es für jeden etwas zu sehen.“ Sie sei aber ein guter Ort für eine neue Hörstation, an der Besucher den Erzählungen von Zeitzeugen, typischer Musik oder Kochrezepten der Ungarndeutschen lauschen können.

Die Heimatstube ist derzeit auf fünf Ebenen im Turm verteilt, die Gesamtausstellungsfläche ist laut Uwe Heckert beachtlich: „Wir haben da die Grundfläche von mehreren Einfamilienhäusern übereinander gestapelt.“ Im einstigen Versammlungsraum des Vereins auf der Ebene 1 wollen Heckert und sein Kollege Hans Schultheiß die Geschichte des Torturms und seine Rolle als Teil der Stadtbefestigung erklären. Die Wandbemalung des Raums, laut Heckert ist sie typisch für Ungarn, wäre ein Einstieg in das Thema Csávoly – mit Fotos zur Siedlungs- und Baugeschichte der Ortschaft. Treppe für Treppe geht es nach oben, vorbei an Trachten, Handwerksutensilien, liturgischen Gegenständen und den erwähnten möblierten Stuben.

Der Ausstellung die Krone aufsetzen soll ein neu gestalteter Raum im bislang ungenutzten Dachgeschoss mit bester Aussicht auf die Altstadt. „Diese Fläche könnten wir frei gestalten und dort unseren heutigen Blick auf Themen wie Migration, Flucht und Vertreibung zeigen“, so Heckert. Für den gesamten Turm regte er ein neues Beleuchtungskonzept an, der nicht historische Rauputz im Treppenhaus solle abgeschliffen werden.

Auch wegen des schmalen Treppenhauses wird der Torturm jedoch kein barrierefreies Museum werden. Maximal 15 Besucher können sich laut Heckert dort gleichzeitig aufhalten – mit einem Führer, der die Ausstellung dann erläutern soll.

Ein Wahrzeichen der Stadt

Patenschaft
Die Stadt Waiblingen hat 1973 die Patenschaft für heimatvertriebene Deutsche aus dem südungarischen Dorf Csávoly übernommen. Sie hatten sich viele Jahre in Waiblingen zu einem jährlichen Heimattreffen versammelt. 1980 haben die Csávolyer im Beinsteiner Torturm ihre Heimatstuben eingerichtet.

Gebäude
Der Beinsteiner Torturm ist das einzige erhaltene Waiblinger Stadttor aus dem Mittelalter und einem Abriss im 19. Jahrhundert nur deshalb entgangen, weil er als Gefängnis diente. Das Schmidener und das Fellbacher Tor wurden 1832 und 1838 abgerissen.