Wenn die Einigung beim Finanzausgleich scheitert, müssen viele Länder fusionieren. Das sagt die Regierungschefin des Saarlandes voraus. Das verblüfft und erzeugt Widerstand.

Berlin - Stünde die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nicht in so hohem Ansehen bei der Bundkanzlerin, dann wären die Reaktionen wohl schärfer ausgefallen. So aber hat die Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz bei der Bundespressekonferenz nur freundlich auf die „vielen Wenn und Kann“ verwiesen, die bei der Aussage der Saarbrücker Regierungschefin zu bedenken seien, und die Aufregung über deren jüngstes Interview gedämpft. „Konkrete Überlegungen der Bundesregierung gibt es nicht“, fügte sie hinzu. „Wenn es dazu jemals kommen sollte, müsste der Wunsch sowieso von den Ländern kommen.“ Das war eine so glatte Beerdigung des Vorstoßes, dass das Finanz- und das Justizministerium Christiane Wirtz’ Worten nichts hinzufügen mochten.

 

Künftig nur noch sechs bis acht Bundesländer?

Was war geschehen? Auslöser war ein Gespräch von Annegret Kramp-Karrenbauer mit der „Süddeutschen Zeitung“, das als Vorstoß für eine radikale Neugliederung der Bundesrepublik interpretiert worden ist. Komme es bei den derzeit laufenden Finanzverhandlungen zwischen Bund und Ländern nicht zu einer Regelung über die Altschulden, mahnte die Saarländerin, „werden wird darüber reden müssen,  . . . ob es künftig nur sechs oder acht Bundesländer gibt statt der bisherigen 16 Länder“. Ausdrücklich fügte Kramp-Karrenbauer hinzu, dass sie bei den Bürgern der betroffenen Länder keine Mehrheit und bei sich selbst „keine große Begeisterung“ für diesen Weg feststellen könne. Aber ohne eine Befreiung von den Altlasten „können wir und andere Länder das Gebot der Schuldenbremse nicht dauerhaft einhalten.“

Legt man ihre Formulierungen auf die Goldwaage, macht Annegret Kramp-Karrenbauer sich nicht für Länderfusionen stark, sondern für den Altschuldentilgungsfonds. Von dem allerdings wollen die meisten ihrer Länderkollegen nichts mehr wissen. Jedenfalls hatte dieses Modell bei der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz kaum mehr Fürsprecher.

Die rot-grüne Bremer Landesregierung hat Kramp-Karrenbauers Vorschläge postwendend als „abwegig“ zurückgewiesen. „Eine Zusammenlegung von Bundesländern löst kein einziges Problem“, sagte Senatssprecher Hermann Kleen. Dadurch würde die Schuldenlast nicht verschwinden. Wenn man zwei oder drei arme Länder zusammenlege, entstehe daraus kein reiches Land. Die Unterschiede machten die Attraktivität des Föderalismus aus, sagte Kleen. „Die Länder in genau dieser Form – als kleine und große, alte und neue – sind Kinder der Verfassung.“

Ein Vorteil der Stadtstaaten sei, dass sie die Probleme der Kommunen direkt in die Bundespolitik einbringen könnten. Nach Ansicht des Bremer Senats ist das hoch verschuldete kleinste Bundesland eigentlich sehr wirtschaftsstark, erhält aber einen zu geringen Anteil des Steueraufkommens. An diesem Punkt sind sich die Bremer und Kramp-Karrenbauer einig: Denn auch sie nimmt für sich in Anspruch, dass das Saarland wegen des mit dem Abschied vom Bergbau verknüpften Strukturwandel in Schieflage geraten ist und seine finanzpolitischen Hausaufgaben erledigt hat.

Beim Länderfinanzausgleich hakt es noch an vielen Stellen

Die Bremer weisen darauf hin, dass sie bis 1969 Geberland im Länderfinanzausgleich waren. Wegen einer Finanzreform seien dann aber die Steuern der Einpendler nicht mehr dem Arbeitsort Bremen, sondern dem Umland zugeflossen. Statt über eine Neugliederung zu reden, solle lieber der von den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin vereinbarte Weg fortgesetzt werden, Bund, Länder und Gemeinden finanziell sattelfest zu machen.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens hat unterdessen wissen lassen, dass sie nicht bereit sei, einen milliardenschweren Teil des eigenen Umsatzsteueraufkommens an andere Länder abzugeben. Das alles zeigt, wie weit Bund und Länder noch von einer Einigung entfernt sind.

Das letzte Wort haben die Bürger

Erfolg Artikel 29 des Grundgesetzes regelt, dass das Bundesgebiet neu zugeschnitten werden kann; ein Volksentscheid muss es absegnen. Dies ist nur einmal 1952 geschehen: Damals fusionierten Baden, Württemberg und Württemberg-Hohenzollern zu Baden-Württemberg.

Misserfolg Eine Fusion von Berlin mit Brandenburg haben die Brandenburger 1996 verhindert. Nur 36,7 Prozent votierten damals für den Zusammenschluss, in Berlin waren es 53,4 Prozent.

Überlegungen Nachgedacht über Fusionen wird schon lange: Mitteldeutschland (Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt), einen Nordstaat (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg), eine Fusion Bremens mit Niedersachsen sowie des Saarlands mit Rheinland-Pfalz. Es sind aber bisher nur Gedankenspiele.