Baz Luhrmanns Film „Der Große Gatsby“ hat in Amerika schon am ersten Wochenende 51 Millionen Dollar eingespielt. Und ganz New York schwelgt nun im Lebensgefühl der zwanziger Jahre.

New York - Wenn man in diesen Tagen an den Schaufenstern der Fifth Avenue entlang spaziert, muss man den Eindruck gewinnen, dass man sich in ein anderes Jahrzehnt verirrt hat. Egal ob bei Tiffany, Bergdorf Goodman oder Sachs – überall werden in den Auslagen die zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gefeiert, das legendäre Jazz-Age, in dem ganz New York eine Party war. Die Männer tragen Fliegen auf Nadelstreifen und Panamahüte auf dem Kopf, die Damen Fransenkleider mit Diamantenhäubchen.

 

Zu verdanken ist die Nostalgie dem Filmstart des „Great Gatsby“, dem 3-D-Spektakel von Baz Luhrmann, das in Amerika am Eröffnungswochenende schon 51 Millionen Dollar eingespielt hat. New York gibt sich der Sehnsucht nach der Gatsby-Ära hin, jener rauschhaften Jahre vor dem Börsencrash von 1929, als der Champagner und die Dollars in Strömen flossen und jeder der Mut und Unternehmergeist besaß, ein Vermögen anhäufen konnte.

Überall Parties und Lesungen

Mit dem nötigen Kleingeld kann in diesen Tagen sogar jeder sein eigener Gatsby sein. Das Trump International Hotel bietet für 15 000 Dollar ein Gatsby-Wochenendpaket an. Gleichzeitig finden in der ganzen Stadt Gatsby-Parties und Gatsby-Lesungen statt. Tanzstudios bieten Charleston-Kurse an und die Generation Ipad kann beim „Gatsby“-Nintendo-Spiel auf ihre eigene Weise der Manie frönen.

Der Film hat einen Nerv getroffen und distanziertere Beobachter fragen sich nun, was die New Yorker so empfänglich macht für das Lebensgefühl der Zwanziger. Die naheliegende Erklärung ist, dass der Film der Stadt erlaubt, sich ohne Scham in die Zeit vor dem Börsenkrach von 2008 zurück zu versetzen. Da war das Leben in Manhattan noch eine einzige Party – genau wie in den zwanziger Jahren. Wer sich nicht allzu dämlich anstellte konnte vor 2008 Reichtümer anhäufen, das Geld lag nur so auf der Straße. An Gatsby-Typen mangelte es auch nicht: die zehn Millionen Dollar Geburtstagsparty des Hedgefond-Milliardärs Stephen Schwarzmann 2007 hätte seinem Vorbild aus dem vergangenen Jahrhundert gewiss keine Schande gemacht.

Die besten Partyszenen der amerikanischen Literatur

Kennern und Liebhabern der literarischen Vorlage zum Film bereitet das alles jedoch ein gewisses Unbehagen. Bei all dem Schwelgen in der Jazz-Age-Opulenz, meint etwa der Literaturkritiker der „New Republic“, Leon Wieseltier, gerate doch die Distanz aus dem Blick, die Francis Scott Fitzgerald zu seiner Hauptfigur gehabt habe. „Das ‚Great’ in Great Gatsby war überaus ironisch gemeint“, schreibt Wieseltier. Im Grunde sei der Klassiker eine beißende Kapitalismus-Kritik gewesen. Gatsby sei wie seine Nachfolger unserer Tage der Täuschung erlegen, dass der Markt eine Religion sei. Am Ende müsse er jedoch feststellen, dass der Reichtum keines seiner vermeintlichen Versprechen halten kann. Die Literaturkritikerin des „New York Magazine“, Kathryn Schulz, jedoch hat die Kapitalismus-Kritik von Fitzgerald nie überzeugt. Fitzgerald habe zwar über die moralische Verderbtheit der Superreichen gepredigt. Gleichzeitig aber habe Fitzgerald, selbst ein Jazz-Age Kind, seine Faszination mit diesen Figuren nie verbergen können: „Es gibt einen Grund, warum der Gatsby die besten Party-Szenen der amerikanischen Literatur enthält.“

Insofern kann man den Kinobesuchern ihr Schwelgen in den vergangenen Partyzeiten nicht verdenken. Zumal die New Yorker im wirklichen Leben seit 2008 doch bedeutend nüchterner geworden sind.