Der Wechsel von Neymar zeigt die ganze Perversion des Spitzenfußballs. Ein Kommentar von Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Soll man sich jetzt noch einmal aufregen? Lohnt es sich wirklich, das finanziell völlig aus dem Ruder gelaufene Fußballgeschäft zum x-ten Mal anzuprangern? In diesem Fall: ja! Weil der Transfer des Brasilianers Neymar den Wahnsinn auf eine ganz neue Stufe stellt. Für aberwitzige 222 Millionen Euro wechselt der Stürmer vom FC Barcelona zu Paris St. Germain. Damit wird die bisherige Rekordsumme von 105 Millionen Euro für den Franzosen Paul Pogba pulverisiert.

 

222 Millionen Euro. Das sollte eigentlich eine nicht bezahlbare Fantasiesumme sein, die der FC Barcelona Neymar als Ausstiegsklausel in den Vertrag geschrieben hatte. Jetzt wird sie von Paris St. Germain aufgebracht, beziehungseise von einer katarischen Investorengruppe, deren Spielzeug der Club ist. Was eigentlich gegen das Financial Fairplay der Uefa verstoßen müsste. Diese Regelung sieht vor, dass ein Club Transfers nur aus selbst erwirtschafteten finanziellen Mitteln stemmen darf.

222 Millionen. Die Summe regt nicht nur auf, sondern auch an: die Fantasie. Um das Unbegreifliche greifbarer zu machen, werden deshalb gerne Vergleiche herangezogen. Für 222 Millionen Euro, so rechnet der Berliner „Tagesspiegel“ besonders eindrucksvoll vor, ließe sich der Ostteil des zerstörten Mossul wieder aufbauen.

Dafür muss ein Gebäudereiniger lange putzen

222 Millionen. Daneben wirkt so manches lächerlich. Zum Beispiel der Hass, der dem Emporkömmling RB Leipzig in vielen Bundesligastadien entgegen schlägt. Während Red Bull einigermaßen zurückhaltend in die Entwicklung eines Clubs investiert, ist das Auftreten der Scheichs von Paris die reine Machtdemonstration. Nach dem Motto: Wir können uns alles leisten. Zum Beispiel auch noch locker Neymars Jahresgage in Höhe von 30 Millionen Euro – netto, natürlich. Dafür muss ein Gebäudereiniger in Deutschland lange putzen: etwa 1000 Jahre, nur so zum Vergleich.

222 Millionen. Der Spitzenfußball wirkt durch den Neymar-Wechsel noch ein bisschen irrealer, und er hat damit das bisher größte Stück seiner Seele verkauft. Dieser Turbokapitalismus hat mit den Idealen des Sports gar nichts mehr zu tun. Die Fans könnten diese Blase zum Platzen bringen. Wenn Sie sich von einem Club wie Paris St. Germain abwenden würden. Doch davon ist im Moment nicht auszugehen, wenn man denn Neymar präsentiert bekommt. Und so darf man sich nicht wundern, wenn auch dieser 222-Millionen-Rekord irgendwann wieder gebrochen wird. www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.betrugsaffaere-brasiliens-fussball-star-neymar-muss-vor-gericht.defc95e6-8775-4219-bf4c-ef45c7b4f716.html