Die günstigen Zeiten für Kraftstoff- und Heizölkunden könnten schnell vorbei sein. Deshalb führt an der Energieeffizienz kein Weg vorbei, meint StZ-Wirtschaftsredakteur Werner Ludwig.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Es scheint paradox: In der arabischen Welt, der nach wie vor wichtigsten Ölförderregion, sind die politischen Verhältnisse so instabil wie seit Langem nicht mehr. Trotzdem hat sich Rohöl seit dem Sommer um rund ein Drittel verbilligt. Autofahrer und Besitzer von Ölheizungen sparen dadurch eine Menge Geld, das sie in andere Anschaffungen stecken können – ein unerwartetes Hilfsprogramm für die schwächelnde Konjunktur in der Eurozone. Auf den ersten Blick will die Entwicklung so gar nicht zu der bekannten Gleichung passen, die da sagt: unsichere Lage im Mittleren Osten gleich hoher Ölpreis.

 

Doch der Markt befindet sich in einem Ausnahmezustand. Ein wesentlicher Faktor ist das schwächere Wachstum der Weltwirtschaft, das die globale Nachfrage nach Öl langsamer steigen lässt als erwartet. Dem steht ein großes Angebot gegenüber – an dem die dank der umstrittenen Fracking-Technik gestiegene Öl- und Gasproduktion der USA einen erheblichen Anteil hat. Manche träumen sogar schon von einer Art „Saudi-Amerika“, das sein Öl in alle Welt exportieren könnte. Entscheidend zum Preisverfall trägt zudem bei, dass der Schwerpunkt der gegenwärtigen Konflikte außerhalb wichtiger Fördergebiete liegt. So läuft zum Beispiel die Produktion im Irak trotz des IS-Terrors fast normal.

Der weltweite Bedarf wird weiter steigen

Es wäre aber fahrlässig, das derzeitige Ölpreisniveau in die Zukunft fortzuschreiben – und sich etwa beim nächsten Autokauf für ein größeres und durstigeres Gefährt zu entscheiden, wo doch der Sprit so billig ist. Denn die schönen Zeiten für Kraftstoff- und Heizölkunden könnten schnell wieder vorbei sein. Schon beim nächsten Gewaltausbruch im Mittleren Osten könnten wichtige Förderanlagen in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch an der Nachhaltigkeit des Schieferölbooms in den USA gibt es berechtigte Zweifel. Unbestritten ist dagegen, dass der weltweite Bedarf weiter steigen wird.

Wie lange die Ölvorkommen noch reichen werden, ist zwar schwer zu sagen – viele Prognosen zur Entwicklung der Fördermengen haben sich als zu pessimistisch erwiesen, weil sie den technischen Fortschritt bei der Ausbeutung der Lagerstätten unterschätzt haben. Klar ist aber, dass die zunehmende Nutzung schwer zugänglicher Vorkommen die Ölförderung mittel- bis langfristig deutlich verteuern wird. Vorher werden bereits die Folgen des gegenwärtigen Investitionsstaus in der Ölindustrie spürbar werden: Russland und andere große Förderländer, deren Wirtschaft von den Niedrigpreisen massiv gebeutelt wird, stecken weniger Geld in die Erschließung neuer Ölvorkommen, was sich in einigen Jahren in einem geringeren Angebot niederschlagen wird. Zu kurzfristigen Förderkürzungen sind viele Ölstaaten – allen voran das Opec-Schwergewicht Saudi-Arabien – nicht bereit, weil sie befürchten, im Wettbewerb mit US-Schieferöl Marktanteile zu verlieren. Das wurde auch auf der jüngsten Opec-Konferenz deutlich.

Die Abhängigkeit von Ölimporten ist unverändert

Unabhängig von der aktuellen Marktlage hat sich an der Abhängigkeit der meisten Industrieländer von Ölimporten nichts geändert. So sind Mineralölprodukte in Deutschland immer noch Energieträger Nummer eins. Sie decken rund ein Drittel des gesamten Energiebedarfs, während erneuerbare Quellen – Energiewende hin oder her – im vergangenen Jahr nur auf knapp zwölf Prozent kamen. Nicht nur aus Gründen der Versorgungssicherheit, sondern auch im Interesse des Klimaschutzes führt an einer Verbesserung der Energieeffizienz kein Weg vorbei. Das verursacht zunächst Kosten – Gebäude müssen gedämmt, sparsamere Maschinen und Antriebstechniken entwickelt werden. Doch spätestens wenn die Zeit des billigen Öls vorbei sein wird, werden sich diese Investitionen auszahlen – und vorausschauenden Staaten und den dortigen Unternehmen massive Wettbewerbsvorteile bescheren.