Angus Deaton erhält den Wirtschaftsnobelpreis. Er spürt mit Hilfe von Umfragen den Konsumentscheidungen von Haushalten nach – ein wertvolles Hilfsmittel im Kampf gegen die Armut.

Stuttgart - Auf diese Frage hat der neue Träger des Wirtschaftsnobelpreises, Angus Deaton, keine Antwort parat: Warum ausgerechnet jetzt Forschungen auf dem Gebiet von Armut und Wohlfahrt ausgezeichnet würden, wo es den Wirtschaftsnobelpreis doch schon seit 1969 gebe, fragt ihn eine Journalistin bei der Telefonkonferenz zur Preisverleihung. Der gebürtige Schotte, der an der Universität Princeton lehrt, begnügt sich damit, seine Freude über die Preisverleihung zum Ausdruck zu bringen: „Ich war überrascht und erfreut, die Stimmen meiner Freunde vom Komitee zu hören“, sagt der 69-Jährige, der sich eher wortkarg gibt; kein Wunder: der Anruf der Akademie hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. Zufall oder nicht: Ende September haben die Vereinten Nationen sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die extreme Armut auf der Welt zu beseitigen.

 

Mit Deaton wird aus Sicht der Akademie ein Forscher ausgezeichnet, dessen Arbeiten zu einem besseren Verständnis von individuellen Konsumentscheidungen beitragen. Sein Fokus auf Haushaltsumfragen habe geholfen, die Entwicklungsökonomie von einem „theoretischen Feld“ auf ein empirisches mit detaillierten individuellen Daten zu führen, erklärt das Preiskomitee. Deatons Credo lautet: „Wir können nicht das große Ganze verstehen, wenn wir nicht verstehen, was in der Miniatur-Ökonomie unserer täglichen Entscheidungen geschieht.“ Er verwendet das offizielle statistische Material und verfeinert es durch weitere Befragungen. Ingvild Almas von der Norwegian School of Economics weist auf das Beispiel Indien hin, das Deaton besonders interessiert. Das Land, so sagt sie, messe aufgrund von Deatons Erkenntnissen Armut jetzt anders.

In Indien hat Deatons Arbeit konkrete Auswirkungen

Ein Ergebnis von Deatons Arbeit ist die Erkenntnis, dass es in ländlichen Gebieten in Indien viel mehr arme Menschen als bisher angenommen gibt. Haushalte, die vorher nicht als arm erfasst waren, konnten so von Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut erfasst werden. Mit Hilfe von Haushaltsdaten spürt er dem Zusammenhang von Einkommen und Kalorienverbrauch ebenso nach wie dem Ausmaß der Geschlechterdiskriminierung in Familien. Zudem hat der Nobelpreisträger eine Methode entwickelt, um die Nachfrage zu messen. Wenn ein Staat zum Beispiel eine Steuer erhöhen will, kann er mit dem Modell von Deaton vorhersagen, wie die Konsumenten voraussichtlich reagieren werden und welche Verteilungswirkung die Erhöhung hat.

Obwohl Armut auf der Welt weit verbreitet ist, gibt es Erfolge im Kampf dagegen. So hat die Zahl der Menschen in extremer Armut nach den Zahlen der Weltbank in den letzten Jahrzehnten um eine Milliarde auf noch 836 Millionen Männer und Frauen abgenommen. Als extrem arm gelten Menschen, die von weniger als 1,25 Dollar pro Tag leben müssen. Deaton ist überzeugt, dass „die bemerkenswerte Entwicklung“ der letzten Jahrzehnte weiter geht und die Armut kontinuierlich abnimmt: „Die Dinge werden besser, aber es gibt noch viel zu tun.“ Einschränkend sagt Deaton nur: „Aber ich bin kein blinder Optimist; mit Prognosen muss man natürlich vorsichtig sein.“ Hierüber hat Deaton auch in seinem 2013 veröffentlichten Buch „Das große Entkommen“ geschrieben.

Flüchtlingskrise – die Folge von Ungerechtigkeit

Die Bekämpfung der Armut ist für den Ökonomen auch die richtige Antwort auf die Flüchtlingskrise. Was gegenwärtig passiert, so sagte er, sei die Folge einer ungerechten Entwicklung über hunderte von Jahren hinweg. Teile der Welt seien vernachlässigt worden. Kurzfristige Erfolge erwartet der Wissenschaftler auch bei einem Gegensteuern freilich nicht.

Deaton, geboren in Edinburgh, hat die britische und die amerikanische Staatsbürgerschaft, und lehrt an der Princeton University in den USA. Er hat an der Cambridge University (USA) studiert und promoviert. Anschließend lehrte er von 1976 bis 1983 an der Universität von Bristol (Großbritannien) Ökonometrie. Danach wechselte er nach Princeton. 2009 wurde er zum Präsidenten der American Economic Association gewählt. 2014 erhielt er den Leontief-Preis, eine hochrangige Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaftler.