Im Maschinenbau werden kaum neue Unternehmen gegründet. Carsten Schimansky und seine drei Partner haben es trotzdem gewagt: mit Tintenstrahldruckern für die Hightech-Industrie.

Schwetzingen - Wer einen Drucker für zu Hause sucht, greift oft zum Tintenstrahldrucker. Die preiswerten Bürohelfer – das meiste Geld wird mit der Tinte verdient – bringen nicht nur Texte in hoher Qualität zu Papier, sie eignen sich auch prima zum Ausdrucken von Fotos. Der Tintenstrahldrucker, neben dem Carsten Schimansky in einer Halle im Schwetzinger Gewerbegebiet steht, hat mit seinen Verwandten auf heimischen Schreibtischen außer dem grundlegenden Funktionsprinzip nicht viel gemein. Der zwei Meter hohe und 1,5 Tonnen schwere blau-weiße Kasten ließe sich dort auch schlecht unterbringen. Mit einem Preis von 150 000 Euro für die Einstiegsversion würde der Drucker zudem das Budget des durchschnittlichen Heimanwenders übersteigen.

 

Der N-Jet Lab und seine Schwestermodelle sind die ersten marktreifen Produkte des 2012 von Schimansky und seinen Partnern Michael Doran, Jan Schönefeld und Jens Münkel gegründeten Unternehmens Notion Systems. Zur Not könnte die Maschine, die in der kleinen Werkstatt neben dem Büro in Handarbeit montiert wurde, auch Papier bedrucken. Doch dafür wäre sie im Grunde viel zu schade. Die Gründer hatten komplexere Aufgaben im Sinn. So lassen sich mit den Hightechdruckern elektronische Schaltungen mit einer maximalen Abweichung von drei bis vier Millionstelmetern auf Leiterplatten drucken. Präzision ist beim Aufbringen der unterschiedlichen Spezialtinten das A und O. „Ein falsch gesetzter Tropfen kann ein Bauteil komplett unbrauchbar machen“, sagt Schimansky.

Linearmotoren rücken die maximal vier mit bis zu 2000 Einzeldüsen bestückten Druckköpfe jeweils an die richtige Stelle, eine integrierte Kamera hat jegliche Abweichung im Blick. Um Vibrationen und Verwindungen zu vermeiden, die der geforderten Präzision im Wege stehen würden, ist die Druckeinheit auf einer massiven Granitbasis montiert. Ein weiteres Anwendungsgebiet für die Notion-Systems-Drucker ist das Aufbringen von Beschichtungen auf Glas, Kunststoffe oder Metalle sowie die sogenannte Maskierung. Dabei wird an einzelnen Stellen des Werkstücks eine Schutzschicht aufgetragen, die gewährleistet, dass beim anschließenden Ätzprozess nur die nicht maskierten Bereiche entfernt werden. Auf diesem Wege entstehen etwa Scherfolien für Rasierapparate. Auch in der Solarzellenfertigung lassen sich die Präzisionsdrucker einsetzen – etwa zum Aufbringen der feinen Silberbahnen, über die der erzeugte Strom abfließt.

Grundlegend neu ist die Drucktechnik für Schimansky und seine Mitstreiter nicht. Als ehemalige Mitarbeiter der Firma Schmid in Freudenstadt haben sie sich schon etliche Jahre mit der Frage beschäftigt, wie sich komplexe Strukturen per Tintenstrahldruck auf Oberflächen aufbringen lassen. Ausschlaggebend für den Sprung in die Selbstständigkeit waren Unterschiede in der Markteinschätzung. Während Schmid stark auf die Fotovoltaikindustrie als Abnehmer fokussiert war, wollten die Notion-Systems-Gründer verstärkt auch andere Branchen ins Visier nehmen, wie Schimansky erzählt. Doch so richtig seien sie mit dieser Überlegung bei ihrem Arbeitgeber nicht durchgedrungen.

„Wir haben uns oft abends nach der Arbeit zusammengesetzt und überlegt, wie es weitergehen könnte. Irgendwann ist uns dabei klar geworden, dass wir eigene Wege gehen mussten, um unsere Ideen umzusetzen“, sagt Schimansky. Als die Entscheidung zum Sprung in die Selbstständigkeit gefallen war, ging es darum, Investoren zu finden. „Wir sind da etwas blauäugig herangegangen“, geben Schimansky und Doran zu. Sie haben einfach im Internet nach Adressen von Risikokapitalgebern gesucht und 30 Blindbewerbungen mit den Eckpunkten des Businessplans losgeschickt. Schon bald flatterte die erste Einladung zu einem Präsentationstermin bei einem potenziellen Geldgeber ins Haus. Allerdings ließ sich der Interessent am Ende doch nicht überzeugen. Eine Absage habe aber auch ihr Gutes, meint Schimansky. „Da zeigen sich oft die Punkte, an denen man noch nacharbeiten muss.“

Nach einem Jahr stand die Finanzierung im Gesamtvolumen von rund einer Million Euro, im Jahr 2012 begann der Geschäftsbetrieb. Neben den Gründern selbst sind drei Investoren an dem jungen Unternehmen beteiligt: der vom Bundeswirtschaftsministerium, der Förderbank KfW und zahlreichen Unternehmen getragene Hightech-Gründerfonds, die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg und der private Risikokapitalfonds Georgieff Capital.

Unternehmen wie Notion Systems sind unter den Neugründungen dünn gesät. „Es ist in Deutschland unglaublich schwierig, Startkapital für Gründungen im Maschinenbau zu erhalten“, sagt Schimansky. „Man hat ja zunächst nicht mehr als eine Idee“, erläutert Doran. Die nötigen Investitionen sind im Maschinenbau meist höher als bei Gründungen im IT-Bereich. Und es braucht ein bis zwei Jahre, bis man auf die ersten Erlöse hoffen kann. Bis dahin produziert man vor allem Kosten. Nach Zahlen der Förderbank KfW entfielen 2012 nur 4,9 Prozent der Gründungen auf die Industrie insgesamt. Der Anteil des Maschinenbaus dürfte also noch niedriger liegen.

„Unser Vorteil war natürlich die große Branchenerfahrung“, meinen die Notion-Systems-Gründer. Wer frisch von der Uni komme, tue sich da oft schwerer. Positiv ausgewirkt hat sich auch, dass nicht alles von einer Person abhänge. „Als Team hat man bei Investoren bessere Chancen als ein Einzelkämpfer“, glaubt Schimansky .

Mit der Geschäftsentwicklung sind die vier Gründer sehr zufrieden. „Wir sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten zwei Jahren 20 Drucker ausliefern können“. Hauptzielgruppe sind zunächst Universitäten und private Labors. Neben Druckern gehören auch Maschinen zur Qualitätsprüfung von Leiterplatten zum Sortiment. Auch hier, so Schimansky, sei die Kernkompetenz von Notion Systems gefragt, nämlich Werkstücke möglichst genau zu positionieren. Vom Hype um 3-D-Drucker wollen sich die Gründer indes nicht anstecken lassen: „Da sind uns andere voraus.“

Wie es weitergeht, hängt auch von den Perspektiven der Fotovoltaikbranche ab. Aktuell leiden diese Unternehmen unter Überkapazitäten und massivem Preisdruck. Etliche Anbieter mussten Insolvenz anmelden. Nach dem tiefen Sturz erwartet Schimansky ab Mitte des kommenden Jahres weltweit wieder eine wachsende Investitionsneigung der Solarindustrie. Schließlich müssten die Hersteller ihre Fertigung weiter rationalisieren. Zudem gelte es, den Wirkungsgrad der Zellen weiter zu verbessern. Dazu würden moderne Maschinen wie die von Notion Systems gebraucht.

Wenn es gut läuft, erwartet Schimansky in drei Jahren einen Jahresumsatz von 3,5 bis vier Millionen Euro, in fünf Jahren könnten es schon 20 Millionen Euro sein. Notion Systems setzt zwar auf eine geringe Fertigungstiefe und kauft möglichst viele Teile und Komponenten bei Zulieferern ein, aber wenn das Geschäft wächst wie erwartet, dürfte der Platz für die Montage der Drucker knapp werden. Für diesen Fall hat Schimansky schon vorgesorgt. Er öffnet die Tür zu einer angrenzenden Halle, die noch komplett leer ist, für die er sich aber schon eine Mietoption gesichert hat.

Um die nächste Finanzierungsrunde für die weitere Expansion machen sich die Notion-Systems-Gründer keine großen Sorgen. Das Feedback sei sehr positiv. Dazu trägt wohl auch bei, dass sich das Unternehmen beim Wettbewerb Cyber One 2013 der Wirtschaftsinitiative BW-Con den ersten Platz sichern konnte.

Drucktechnik für die Hightech-Industrie

Technologie:
Elektronische Bauelemente können heute teilweise mit Hilfe von Druckverfahren hergestellt werden. Als „Tinte“ dienen dabei elektronische Funktionsmaterialien in flüssiger oder pastöser Form, mit denen sich beispielsweise Leiterbahnen oder Widerstände auf Leiterplatten bringen lassen. Dazu müssen oft mehrere Lagen übereinander gedruckt werden. Gedruckte Elektronik lässt sich so deutlich billiger und flexibler herstellen als mit den bisher eingesetzten Verfahren. Die Technologie eignet sich besonders für die individuelle Fertigung auch kleinerer Stückzahlen.

Unternehmen:
Notion Systems wurde im Jahr 2012 gegründet. Zwei der vier Unternehmensgründer fungieren als Geschäftsführer: der Elektroingenieur Carsten Schimansky (Jahrgang 1960) und der promovierte Physiker Michael Doran (Jahrgang 1973). Die Mitgründer Jan Schönefeld und Jens Münkel haben Prokura. Insgesamt hat die Firma acht fest angestellte Mitarbeiter. Hinzu kommen vier Freiberufler für den Vertrieb. 2014 wird ein Umsatz von 1,3 Millionen Euro erwartet.