Beate Zschäpe möchte einen jungen Anwalt zu ihrem vierten Pflichtverteidiger küren. Ansonsten dreht sich im NSU-Prozess alles um einen umstrittenen Verfassungsschützer: Obwohl Herr T. am Tatort war, will er keine entscheidenden Hinweise haben.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Beate Zschäpe hat immer noch drei Anwälte im Münchner NSU-Prozess, aber sie lässt keinen Zweifel daran, dass ihr an einem Kontakt mit den bisherigen Pflichtverteidigern Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl wenig bis nichts mehr liegt. Der 214. Prozesstag in München wird damit eröffnet, dass der Vorsitzende Richter Manfred Götzl einen Brief Zschäpes vorliest (es ist der erste Antrag, den sie im Prozess gestellt hat), indem sie darum bittet, nunmehr den jungen, seit 2011 überhaupt erst als Rechtsanwalt tätigen Mathias Grasel als ihren vierten Pflichtverteidiger zuzulassen. Dem Ansuchen wird das Gericht wohl morgen entsprechen. Eine Aussetzung der Hauptverhandlung bis Grasel im Amt sei, lehnen Bundesanwaltschaft und endlich das Gericht ab: „Sie werden ja verteidigt“, sagt Götzl zu Zschäpe, die ein wenig die Mundwinkel verzieht. Mit den anwesenden Anwälten, die das auch bleiben werden, wechselt sie kein Wort und tauscht keinen Blick aus. Weit weg nun die Tage, als man im Einvernehmen lächelte und Hustenbonbons teilte. Ob Beate Zschäpe jemals aussagen wird, bleibt gleichwohl ungewiss.

 

Hernach geht es hauptsächlich um das Ehepaar Eva und Andreas T.. Letzterer ist der seinerzeit beim Hessischen Verfassungsschutz beschäftige und heute noch im Innendienst verbeamtete Mann, der in Kassel in unmittelbarer Nähe war, als im Jahr 2006 Halit Yozgat in seinem Internetcafe ermordet wurde. Andreas T., der bereits sieben Mal im Laufe des Prozesses befragt worden ist, hat stets hartnäckig, aber unglaubhaft bestritten, irgendetwas gesehen zu haben. Anwälte der Nebenklage Yozgat halten es im Gegenteil jedoch für sehr wahrscheinlich, dass Andreas T. viel näher an der rechtsradikalen Szene dran gewesen ist als in den bisher eingesetzten Untersuchungsausschüssen öffentlich gemacht wurde. Immer wieder allerdings hat Andreas T. Blanko-Verteidiger gefunden, bis hin zum heutigen hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, der im Jahr 2006 Innenminister war.

Ein wenig sympathisches Ehepaar

Die Blätter 16 308 ff,., eine Abschrift eines abgehörten Telefongesprächs, das die Ehefrau von T. 2006 führte, nachdem ihr Mann kurzfristig vom Dienst suspendiert worden war, haben es in sich. Man vernimmt, wie fassungslos Eva T. ist, nachdem sie erfahren hat, dass ihr Mann im nämlichen Internetcafé häufig mit einer Frau chattete. Man vernimmt aber auch, wie menschenverachtend die Grundeinstellung im Hause T. gewesen sein muss.

Eva T. und und Andreas T. haben sich 2004 kennengelernt und heiraten ein Jahr später. Wenig später erwartet Eva T. ein Kind. Sie weiß, dass ihr Mann für den Verfassungsschutz arbeitet, ist aber nie an Details interessiert. Als die Polizei anfängt, Fragen zu stellen, die sich vor allem darum drehen, ob ihr Mann eine Plastiktüte dabei hatte, in der laut anderen Zeugen eine Waffe gewesen sein soll, zeigt sich Eva T. mit ihrer Geduld am Ende: „Da habe ich auf den Tisch gehauen.“ „Warum“, will sie immer vehementer wissen, „sind wir alle in der Situation, in die du uns gebracht hast?“. Sie rechnet ihrem Mann vor – wie das Gespräch mit ihrer Schwester ausweist – dass er „in so ner Asselbude an der Holländischen Straße Zeit bei Dreckstürken verplempert“ habe.

T. lügt – da ist sich der Vater des Opfers sicher

Das sind Bemerkungen, die Eva T. heute leid tun, sie sei „nicht wenig“ über sich „erschrocken“, sagt sie begütigend in Richtung Gericht. Im Saal unten sitzen die Eltern von Halit Yozgat. „Ich bin so gar nicht…“, schiebt Eva T. hinterher. Auch ihr Mann sei „niemals ausländerfeindlich gewesen“. Dass Abschriften aus „Mein Kampf“ in der Wohnung gefunden worden sind, erklärt Eva T. damit, dass ihr Mann „ein altes Referat aus Schulzeiten“ verwahrt habe.

Am Schluss steht der Vater von Halit Yozgat auf, gibt eine Erklärung ab, die übersetzt wird – und sagt: „Herr T. lügt, wir wissen alle, dass dieser Mann lügt! Warum wollen wir die Wahrheit nicht sehen?“ T. sei über 1,80 Meter groß; er habe seinen Sohn hinter dem Schalter auf jeden Fall sehen müssen. Es gebe nur zwei Möglichkeiten. Entweder habe Herr T. seinen Sohn erschossen, oder er habe gesehen, wer ihn erschossen habe. Eine dritte Möglichkeit gebe es nicht.