Weshalb kamen die Ku-Klux-Klan-Polizisten nach den disziplinarischen Ermittlungen so billig davon? Polizei und Verfassungsschutz schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.

Stuttgart - Zwei Polizisten heuern beim Ku-Klux-Klan (KKK) an, lassen obskure Aufnahmerituale über sich ergehen, werden enttarnt – und kommen disziplinarisch mit einem milden Rüffel davon: wie kann das sein? Das ist eine der wichtigeren Fragen, mit denen sich der Untersuchungsausschuss Rechtsterrorismus beschäftigt. Bei der jüngsten Sitzung am Freitag spielten sich Verfassungsschutz und Polizei gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Der frühere Landespolizeipräsident Erwin Hetger sagte: „Wenn ich die Aufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz gehabt hätte, und bis 1992 war das so, dann wäre das anders gelaufen.“

 

Ex-Verfassungsschutzpräsident Helmut Rannacher hingegen ließ seine Verwunderung über die ausbleibende Reaktion der Polizeiführung auf die KKK-Aktivitäten zweier ihrer Beamter erkennen. Mehrmals habe er nachgehakt. Dass das Landespolizeipräsidium zwischenzeitlich das erste Informationsschreiben des Verfassungsschutzes verschlampte, nannte er ein „Detail“, das darauf hindeute, „wie das möglicherweise betrieben worden“ ist.

Schwarzer Peter bei der Polizei

Tatsache ist: Ende Mai 2002 informierte Rannacher den Kollegen Hetger, dass zwei Polizisten bei einem Ableger des KKK in Schwäbisch Hall mitmachten. Drei weitere Polizisten hätten Verbindungen zu den Kuttenträgern. Allerdings stammte die Informationen aus zunächst noch geheimhaltungsbedürftigen nachrichtendienstlichen Operationen. Im September 2002 ließen die Verfassungsschützer das Landespolizeipräsidium wissen, dass nun mit den beiden KKK-Polizisten „Sicherheitsgespräche“ geführt werden könnten.

Für Verfassungsschutzpräsident Rannacher lag der Ball damit im Feld der Landespolizeipräsidiums. Ob dieses Disziplinarverfahren einleitete, sei nicht mehr seine Sache gewesen. Das Problem: Erst im Mai 2004 veranlasste die Polizeispitze disziplinarische Schritte – nach 15 Monaten Untätigkeit. Böse, böse Polizei.

Aus Sicht des damaligen Landespolizeipräsidenten Hetger stellt sich der Sachverhalt indes anders da. Natürlich habe er sich über die KKK-Polizisten schrecklich empört. „Dass ich an der Decke war, muss ich nicht einfach betonen.“ Und ganz klar: „Unter berufsethischen Gesichtspunkten ist die Nähe zu rassistischen und antisemitischen Geheimbünden nicht mit dem Polizeiberuf vereinbar.“ Hetger zeigte sich im Ausschuss nicht bereit, den ihm von den Verfassungsschützern zugedachten Schwarzen Peter auch anzunehmen.

Er bestätigte, vom Verfassungsschutz über die KKK-Umtriebe der beiden Polizisten informiert worden zu sein, jedoch nicht in beweiskräftiger, also gerichtsfester Form. „Wir konnten nicht nachweisen, dass sie rassistisch agiert haben“, sagte Hetger vor dem Ausschuss. Mehrmals habe er Rannacher um zusätzliches Material gebeten. „Ich wollte ein Exempel statuieren“, versicherte Hetger. Der Abgleich der Einlassungen Rannachers vor dem Stuttgarter Untersuchungsausschuss wie auch vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags mit den Aussagen Hetgers ergibt: Beide nehmen jeweils für sich in Anspruch, beim anderen nachgehakt zu haben, um die Aufklärung voranzutreiben. Dies aber mit wenig befriedigendem Ergebnis.

Schwarzer Peter beim Verfassungsschutz

So viel ist aber klar: Erst im Dezember 2003 erhielt die Polizei Fotomaterial, das die Polizisten mit KKK-Fahnen und anderen Emblemen zeigt. Jetzt waren für Hetger disziplinarische Schritte möglich. Da war aber schon viel Zeit ins Land gegangen. Deshalb die Frage an Verfassungsschutzchef Rannacher: Warum hatte denn die Auswertung des beim Klan gefundenen, die Polizisten belastenden Materials so lange gedauert? Rannachers lakonische Antwort: Es sei viel zu tun gewesen.

Indes: Im Dezember 2003 verfügte die Polizei also über beweiskräftiges Material. Wieso aber dann erst im Mai die Anweisung zu disziplinarrechtlichen Ermittlungen. Hetger ist das schleierhaft, zumal allen Beteiligten damals entging, dass die Vorwürfe gegen die Polizisten zu diesem Zeitpunkt schon verjährt waren.

Abwegig sei allerdings der Verdacht, die Polizei habe irgendetwas vertuschen wollen. Bei der letzten Ausschusssitzung hatte ein früherer Beamter der Bereitschaftspolizei gesagt, man habe die Anweisung erhalten, „nicht in die Breite zu ermitteln“. Dies sei ihm über den Chef der Bereitschaftspolizei vermittelt worden. Dahinter vermutete der Beamte die Polizeiführung im Innenministerium. Ex-Landespolizeipräsident Hetger reagierte gereizt: „Wenn der jetzt so Dummheiten durch die Welt redet...“ Für seine Beamten im Landespolizeipräsidium lege er die Hand ins Feuer.

Unterdessen hält das Tauziehen um Beweismittel zum früheren Neonazi Florian H. an. Der Ausschuss zieht eine Beschlagnahme in Erwägung, wie Ausschusschef Wolfgang Drexler (SPD) sagte. Es geht um Datenträger, welche die Familie H. dem Politikwissenschaftler Hajo Funke übergeben haben soll. Funke will über den Verbleib der Geräte keine Auskunft geben. Er beruft sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht, das er als Publizist habe.