Die Stadt steht bei der Anschlussunterbringung unter Druck. Container unter einer Hochspannungsleitung und im Überschwemmungsgebiet sollen vorübergehende Lösungen für die Dauer von drei bis vier Jahren sein.

Nürtingen - Eine Tunnelbaufirma stellt der Stadt gegen eine Spendenbescheinigung unentgeltlich 21 gebrauchte Bürocontainer, einen Sanitärcontainer mit Toiletten und zwei Technikcontainer zur Verfügung. Die Container werden in der Schlosserstraße im Teilort Zizishausen aufgestellt und sollen circa 20 Flüchtlingen im Rahmen der Anschlussunterbringung als Wohnung dienen. Der Ausschuss des städtischen Eigenbetriebs Gebäudewirtschaft Nürtingen (GWN) hat den Plänen des Rathauses unisono zugestimmt.

 

Container im Hochwassergebiet werden aufgeständert

Das Grundstück befindet sich wegen der Näher zum Neckar in einem Überschwemmungsgebiet. Zur Sicherheit werden die Container deshalb über ein Betonfundament um bis zu 30 Zentimeter aufgeständert. In den Containern selber werden kleinere Umbauten und Renovierungen notwendig. Weiter muss die Stadt für den Brandschutz Sorge tragen. Zu beschaffen gilt es zudem noch einen weiteren Sanitärcontainer mit Duschen und Waschgelegenheiten. Die Ver- und Entsorgungsleitungen mit eingerechnet, kommt die GWN unter dem Strich auf Kosten von circa 220 000 Euro. Die Container stehen derzeit auf dem Festplatz Oberensingen. Spätestens zum Beginn des Maientags am 3. Juni sollen die Container von dort an den neuen Standort Schlosserstraße verlegt werden.

Der Stadtrat Ulrich Bentsche (CDU) fragte, ob sich nicht zwei Flüchtlinge einen Container teilen könnten, damit die Stadt so mehr Plätze ausweisen könnte. Die Rechtsprechung sehe in der Anschlussunterbringung eine Wohnfläche von zehn Quadratmetern pro Person vor, antwortete der GWN-Chef Volkmar Klaußer. Deshalb scheide eine größere Bewohnerzahl in der zweigeschossig geplanten Anlage aus, erklärte Volkmar Klaußer. Eigentlich.

Belegung der Grundschule dauert eventuell länger

Denn wie der Oberbürgermeister Otmar Heirich deutlich machte, könnte die Stadt sich gezwungen sehen, die Vorgaben „flexibel“ zu handhaben – je nachdem, wie viele Menschen Nürtingen vom Landkreis Esslingen zugewiesen bekomme. Die Bürgermeisterin Claudia Grau rechnet mit bis zu 350 Asylbewerbern in diesem Jahr, die anerkannt worden sind oder die bereits länger als 24 Monate vorläufig untergebracht waren. Diese Menschen müssen sich auf dem privaten Markt Wohnungen suchen. Wenn sie keine finden – das sind derzeit rund zwei Drittel der Flüchtlinge im Landkreis –, landen sie in den Obdachlosenregistern der Städte und Gemeinden.

Flexibilität könnte auch bei der Nutzung des ehemaligen Grundschulgebäudes Neckarhausen angesagt sein. Dort will die Stadt vorübergehend bis zu 78 Flüchtlinge einquartieren. Der Ortschaftsrat ging bisher von einer Übergangszeit von 17 Monaten aus. Danach, so die bisherige Planung, soll das Gebäude abgebrochen und an dessen Stelle eine Kita mit Büchereifiliale gebaut werden. Nun deutete der GWN-Geschäftsführer Volkmar Klaußer eine Nutzungsdauer des Schulhauses als Flüchtlingsunterkunft von drei Jahren an, was den Neckarhausener Ortschaftsrat Markus Knöll in der GWN-Sitzung irritierte.

OB Otmar Heirich wirbt um Verständnis

„Wir sind hier Getriebene der Situation“, warb OB Otmar Heirich grundsätzlich um Verständnis für die schwierige Lage des Rathauses. Längerfristig will die Stadt bezahlbaren Wohnraum in festen Gebäuden schaffen. Konkrete Pläne dazu sollen demnächst vorgestellt werden, so Heirich. Zudem appelliert die Stadt an Privateigentümer, Wohnraum an Flüchtlinge zu vermieten.

Die Container in der Schlosserstraße sollen mindestens drei Jahre lang stehen bleiben. Diese Verweildauer ist auch für die Container vorgesehen, welche die Stadt trotz erheblicher Proteste im Stadtteil auf der Roßdorfer Nanzwiese unter einer Hochspannungsleitung platzieren will. Kritiker befürchten Gesundheitsschäden durch elektromagnetische Felder.

Markt für Container ist leer gefegt

Der Tüv-Gutachter Thomas Gritsch erwartet indessen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte durch entsprechende bauliche Maßnahmen eingehalten werden können. Für die Einhaltung der Grenzwerte muss Gritsch zufolge der Betreiber der 380 000-Volt-Leitung Sorge tragen. „Lässt die TransnetBW daher eine Bebauung unter der Leitung zu, so ist davon auszugehen, dass die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes eingehalten werden“, erklärt Gritsch.

Ein zusätzliches Gutachten wäre laut Thomas Gritsch „nur erforderlich, wenn von unabhängiger dritter Seite der genaue Grad der Grenzwertausschöpfung überprüft werden soll, um zum Beispiel zu beurteilen, inwieweit eine Gefährdung für Träger kardialer Implantate, wie Herzschrittmacher besteht“. Wann die Nanzwiese belegt werden soll, ist noch unklar. „Da der Markt hier leer gefegt ist, kann ein Zeitplan erst erstellt werden, wenn abschätzbar ist, wann wir mit welcher – bezahlbaren – Containerform rechnen können“, erklärt das Rathaus.

Forderung nach finanzieller Beteiligung des Bundes

Der Stadtrat Raimund Braun (NT 14) fordert die kommunalen Spitzenverbände auf, Druck auf den Bund zu machen. Dieser dürfe die Städte und Gemeinden mit den Kosten für die Unterbringung nicht alleine lassen. „In der Finanzkrise 2009 war es möglich, über Nacht Milliarden an Banken auszuschütten“, erinnerte Raimund Braun in der Ausschusssitzung. Nun müsse der Finanzminister Wolfgang Schäuble die Kommunen in der Flüchtlingskrise unterstützen.

„In Berlin wächst die Erkenntnis, dass die Städte und Gemeinden das nicht alleine schaffen können“, erklärte dazu Otmar Heirich. Mit der Unterbringung von Flüchtlingen alleine sei es nicht getan. Hinzu kämen beispielsweise auch Ausgaben für die Kinderbetreuung. Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid habe ihm inzwischen signalisiert, so der Nürtinger OB, dass das Land bei einem Wohnungsbaupaket mitmachen würde, wenn auch der Bund bereit sei sich zu beteiligen.