31 Asylbewerber werden in Nürtingen untergebracht. Weitere 90 sollen bald folgen. Anwohner der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule fühlen sich vom Landkreis ebenso überrumpelt wie das Nürtinger Rathaus.

Nürtingen - Gut 20 Minuten lang dreht sich am Montagabend bei der vom Landkreis Esslingen eilig anberaumten Bürgerinformation über die Unterbringung von 120 Flüchtlingen alles um Parkplätze. An der kreiseigenen Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen fallen 70 Stellplätze weg, weil Platz benötigt wird für Container, in die morgen 31 Asylbewerber einziehen sollen. 120 sollen es am Ende sein. 30 Parkplätze können ersatzweise auf dem Schulgelände geschaffen werden, für dieselbe Anzahl gebe es eine Option in der näheren Umgebung, beruhigt Thomas Eberhard, der Dezernent für Infrastruktur des Landkreises, die Gemüter der mehr als 200 Zuhörer in der Mensa.

 

Nur um Parkplätze geht es an dem Abend aber längst nicht. Das wird spätestens deutlich, als eine Anwohnerin beklagt, man bekäme Container mit Flüchtlingen „vor die Nase gesetzt. Wir haben so einen Hals“, sagt die Frau aufgebracht. „Das hören wir an jedem Standort“, entgegnet Dieter Krug, der Leiter des Sozialdezernats im Landratsamt. „Keiner will Asylbewerber.“ Dem Landkreis bleibe indessen keine Wahl. Immer mehr Flüchtlinge weise das Land zu. Inzwischen müsse der Kreis monatlich hundert Menschen aufnehmen. Das sei im Sommer so noch nicht absehbar gewesen. „Wir haben Probleme, wir werden von den Ereignissen überrollt und stehen mit dem Rücken zur Wand“, beschreibt Krug die aus seiner Sicht „dramatische Situation“.

Nürtinger fühlen sich vom Landkreis überrumpelt

Der Sozialdezernent reagiert damit auf die Kritik, die in Nürtingen die kurzfristig anberaumte Unterbringung ausgelöst hat. Am Mittwochnachmittag der vergangenen Woche habe sie der Landrat Heinz Eininger von der bevorstehenden Einquartierung unterrichtet, erklärt die Nürtinger Bürgermeisterin Claudia Grau. „Mir ist fast die Kinnlade heruntergeklappt“, sagt sie. Die Verärgerung ist in Nürtingen auch deshalb so groß, weil sich die Bürger erst im November mit der Unterbringung von 40 Flüchtlingen im Stadtteil Oberensingen vor vollendete Tatsachen gestellt sahen.

Claudia Grau ärgert sich auch, weil die Stadt dem Kreis potenzielle Flächen vorgeschlagen hatte, eine städtische in der Schlosserstraße und eine private am Rand eines Gewerbegebiets. Angesichts der jetzigen Situation sagt Grau aber auch: „Wir können zu Recht schimpfen, dass es so nicht geht. Aber wir kommen damit keinen Schritt weiter.“ Sie will den Blick nach vorne richten und wirbt um Unterstützung aus der Bürgerschaft. Pit Lohse vom Trägerverein Freies Kinderhaus kündigt an, sich bei der sozialen Betreuung der Asylbewerber zu engagieren. Das Rathaus und das Landratsamt hoffen zudem, dass sich nach Oberensinger Vorbild ein ehrenamtlicher Arbeitskreis bildet. „Ohne das Ehrenamt könnten wir unsere Aufgabe nicht erfüllen“, bekennt Brigitte Walz, die Leiterin des Kreissozialamts.

Ehrenamtliche wollen kein Notnagel sein

„Wir haben den Eindruck, dass wir immer dann gewollt sind, wenn es anfängt zu brennen“, rügt Ragini Wahl, die Beauftragte für Flüchtlingsfragen im Evangelischen Kirchenbezirk Nürtingen. Sie fordert mehr Personal für die Begleitung der Flüchtlinge. Die hauptamtliche Betreuung der Unterkünfte hat der Landkreis der Arbeiterwohlfahrt übertragen.