Vincent Ahondoh, ein geduldeter Flüchtling aus Togo, ist in Nürtingen bestens integriert. Doch seine Lehre als Maurer soll der 29-Jährige jetzt abbrechen, obwohl ihm vor einem Jahr von der Stadt Nürtingen die Erlaubnis dafür erteilt worden ist.

Nürtingen - Vincent Ahondoh ist verzweifelt. Alles, was sich der 29-jährige Flüchtling aus Togo in den vier Jahren, in denen er in Nürtingen lebt, aufgebaut hat, droht an bürokratischen Hürden und der mangelnden Kommunikation zwischen zwei Behörden zu zerschellen. Unter anderem soll er jetzt seine Maurerlehre, die er im vergangenen September mit der Erlaubnis der Nürtinger Ausländerbehörde begonnen hat, nicht fortsetzen dürfen, weil er laut dem zuständigen Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe „seinen Pflichten zur Vorlage eines Passes und zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung nicht nachkam“. Deshalb ordnet das RP an, ihm lediglich „eine Duldung ohne Beschäftigungserlaubnis“ auszustellen, wie die Behörde mitteilt.

 

Auf Nachfrage beim RP in Karlsruhe erklärt der Pressesprecher Uwe Herzel, das Nürtinger Ausländeramt habe Vincent Ahondoh im vergangenen Jahr „ohne eine eigentlich erforderliche Rücksprache“ mit dem RP die Ausbildung gestattet. Davon habe seine Behörde erst im Juli erfahren und nun die Verlängerung der Ausbildungserlaubnis untersagt. Rein rechtlich dürfe Vincent Ahondoh „nicht arbeiten“, sagt Uwe Herzel.

Das Regierungspräsidium nennt Ahondohs Situation „misslich“

Dass der 29-Jährige damit zum Opfer einer unzureichenden Kommunikation zwischen der unteren und der oberen Ausländerbehörde geworden ist, sei „misslich“, sagt Herzel, ändere aber nichts an der bestehenden „Rechts- und Sachlage“. Der RP-Sprecher räumt zudem ein, dass der Togolese am 1. August erstmals vom RP aufgefordert wurde, bei der Passbeschaffung mitzuwirken, „weil wir eben erst im Juli davon in Kenntnis gesetzt wurden“.

Anfang 2015 war der Asylantrag des Togolesen laut dem RP als unzulässig erklärt und er von Deutschland nach Frankreich abgeschoben worden. Kurz darauf sei Ahondoh wieder nach Deutschland eingereist, wo er erneut einen Asylantrag gestellt habe, über den „noch nicht entschieden ist“.

Die vom RP gescholtene Ausländerbehörde im Nürtinger Rathaus sei vor einem Jahr von einem Praktikum Ahondohs ausgegangen und habe dafür die Erlaubnis ohne Genehmigung des RP erteilt, erklärt ein Sprecher der Stadt. Die Kollegen seien der Annahme gewesen, dafür sei keine Zustimmung durch die übergeordnete Behörde notwendig. Aufgrund vieler Änderungen im Arbeitsrecht zum Zeitpunkt der Genehmigung sei die Rechtslage für die Kollegen nicht eindeutig gewesen. „Wir wollten jedoch nicht dem Integrationsgedanken durch Arbeit entgegenstehen und haben daher die Erlaubnis erteilt“, heißt es in einer Stellungnahme aus dem Rathaus.

Musterbeispiel für Integration

In Nürtingen ist Vincent Ahondoh bis jetzt auf einem guten Weg. Seine Lehrstelle hat er sich selbst erkämpft. Seine Ausbilder beim Bauunternehmen Wilhelm Keller in Denkendorf seien mehr als zufrieden mit ihm, sagt Martin Schüler, einer von vielen Unterstützern und Fürsprechern, die sich für den 29-Jährigen einsetzen. Der Togolese kann ein gutes Zeugnis vorlegen und der Lehrvertrag für die kommenden beiden Jahre ist bereits unterschrieben. Das selbst verdiente Geld hat ihm ermöglicht, von den Flüchtlingscontainern in der Kanalstraße in eine Wohngemeinschaft umzuziehen, künftig wäre er nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen gewesen.

Der 29-Jährige kann als ein Musterbeispiel für Integration bezeichnet werden. In Nürtingen sei er „bekannt wie ein bunter Hund“, sagt Martin Schüler. Denn der Togolese spielt Schlagzeug in verschiedenen Bands, engagiert sich in der Kirche und im Kulturverein, und er spricht fließend Deutsch, Französisch, Englisch und zwei Sprachen, die in seinem Herkunftsland gesprochen werden. In seiner Heimat hat er ein Studium der internationalen Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen und hierzulande hat er die fachorientierte Fachhochschulreife erlangt.

Ausbildungsabschluss in Gefahr

Ahondoh wurde eigenen Angaben zufolge als Mitglied einer Studentenbewegung in Togo verfolgt und ist vor den Repressalien der Regierung über Frankreich nach Deutschland geflohen. Er will aber nicht in Unterkünften untätig auf den Bescheid seines Asylantrags oder die nächste Duldung warten. „Ich muss etwas tun, ich kann nicht nur rumsitzen“, sagt er. Als Maurer zu arbeiten mache ihm viel Spaß. Dass er aufgrund seines Studiums für den Beruf überqualifiziert ist, tue seiner Leidenschaft für die handwerkliche Arbeit keinen Abbruch.

Doch sein Ausbildungsabschluss ist in Gefahr. Martin Schüler beteuert, Vincent Ahondoh und seine vielen Helfer bemühten sich darum, alle Formalitäten für die Beschaffung eines Passes zu erfüllen. Aber der Entzug der Arbeitserlaubnis stehe in keinem Verhältnis zu dem angeblichen Versäumnis des jungen Togolesen. Deshalb setzen sich Martin Schüler und seine Mitstreiter für ihn ein. Sie haben mehrere Bundestagsabgeordnete auf den Fall aufmerksam gemacht und auch der Ministerpräsident Winfried Kretschmann soll angeschrieben werden. Außerdem kümmert sich die Tübinger Rechtsanwältin Heiderose Schwarz um die Belange von Ahondoh.

Rasches Handeln scheint angesagt zu sein, denn zum 1. August hat Ahondoh laut Martin Schüler zudem eine Aufforderung zur freiwilligen Ausreise erhalten. Wobei seine Anwältin Heiderose Schwarz die Ansicht vertritt, dass dafür die rechtlichen Grundlagen fehlten und das RP den Fall nicht gründlich geprüft habe. Dennoch hat Vincent Ahondoh Angst, nach Togo abgeschoben zu werden, wo er vor seiner Flucht schon im Gefängnis gesessen sei. „Wenn ich dorthin zurückmuss, bin ich vielleicht tot.“