Bürgerbeteiligung führt dazu, dass politische Entscheidungen eher akzeptiert werden. Das ist ein Ergebnis eines Forums in der Stadthalle. Damit Partizipation gelingt, müssen Politik und Verwaltung fair mit den Menschen umgehen.

Nürtingen - Wer sich engagiert, der möchte auch beteiligt werden.“ Für Christine Dörner von der Führungsakademie Baden-Württemberg ist klar, dass der freiwillige Einsatz für das Gemeinwohl eine stärkere Einbeziehung der Bürger in Entscheidungen bedingt. Dafür müsse die Politik die Voraussetzungen schaffen. Über die Chancen und Grenzen von Bürgerbeteiligung diskutierten Dörner und weitere Experten mit Stadträten und Bürgern bei einem Forum der Nürtinger Freien Wähler und des Bildungswerks für Kommunalpolitik in der Stadthalle.

 

Enttäuschte Hoffnungen führt zu Frustration

Wenn Bürger mit hohen Erwartungen an Beteiligungsprozesse herangehen, diese am Ende aber enttäuscht sehen, dann bleiben sie beim nächsten Mal eher fern. Das ist eine Erkenntnis des Abends gewesen. Dörner rät daher, Spielregeln und Spielräume klar zu definieren. Fairnesshalber müssten die Bürger wissen, dass auch bei einer weitreichenden Beteiligung in der Regel letztlich die demokratisch legitimierten Parlamente die Entscheidungen treffen. Damit Bürger mitreden können, hätten Verwaltungen auch die Pflicht, die Bürger umfassend mit Informationen zu versorgen. Auch dies sei ein Gebot der Fairness.

Beteiligung sollte früh einsetzen

Laut Hannes Wezel von der Stabsstelle der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung im Land ist es notwendig, die Menschen sehr früh schon zu beteiligen. Damit steige die Chance, dass Entscheidungen auf eine breite Akzeptanz stoßen. Als ein gelungenes Beispiel für Beteiligung nannte Wezel die Standortsuche für ein Großgefängnis im südlichen Landesteil. In einem vorbildlichen Verfahren sei die Wahl auf Rottweil gefallen. Die Bürger dort bestätigten den Standort am Sonntag mit einer Zustimmung von 58 Prozent.

Der geplante Wohnpark Wörth ist kein Vorbild

Wie es nicht laufen sollte, zeigte der Nürtinger Stadtrat Michael Brodbeck (Freie Wähler) – freilich ohne den Namen direkt zu nennen – an einem anderen Beispiel auf. So sei die Beteiligung an dem umstrittenen Wohnpark Wörth am Neckar viel zu spät angelaufen. Nach Bürgerprotesten gegen die schon weit fortgeschrittene Planung hatte der Oberbürgermeister Otmar Heirich vor vier Jahren einen runden Tisch mit Stadträten, Rathausvertretern und interessierten Bürgern einberufen. Dem dort erzielten Kompromiss folgte der Gemeinderat aber nicht, was großen Frust bei den Bebauungskritikern auslöste.

Beteiligung erhöht die Entscheidungskompetenz

Persönlich halte er sehr viel von Beteiligung, meinte Michael Brodbeck. Verschiedene Argumente und Sichtweisen kennen zu lernen, helfe ihm bei der Entscheidungsfindung. Andere Kollegen im Stadtrat seien da ablehnender. Christine Dörner zufolge steht und fällt Beteiligung auch mit der Aufgeschlossenheit von Politik und Verwaltung. Die Haltung sei ein entscheidender Erfolgsfaktor.

„Stille Gruppen“ sind schwerer zu erreichen

„Wir haben eine gewisse Müdigkeit und auch ein Nachlassen des Bürgerinteresses feststellen müssen“, erinnerte der FW-Fraktionschef Otto Unger an den Anlass des Abends, der sich auch mit der Frage beschäftigte, wie so genannte stille Gruppen, etwa Migranten oder auch Alleinerziehende, stärker als bisher für Beteiligungsprozesse gewonnen werden können. Man müsse auf diese Gruppen direkter zugehen, schilderte Christine Dörner ihre Erfahrung.

Land gibt Leitfaden an die Hand

Der frühere Nürtinger Bürgertreffleiter Hannes Wezel ist vom Sinn und der Notwendigkeit von Beteiligung überzeugt. Er verwies unter anderem auf die anstehende Reform der Gemeindeordnung und den Planungsleitfaden für Bürgerbeteiligung, mit dem das Land der Partizipation ein zeitgemäßes rechtliches Fundament gebe.