Bei den Bürgern im Roßdorf gedeihen immer mehr Gerüchte und Ängste. Nun soll das Rathaus eingreifen. Der Oberbürgermeister kündigt einen Runden Tisch an.

Nürtingen - Im Stadtteil Roßdorf gibt es unter der russischstämmigen Bevölkerung zunehmend eine Abwehrhaltung gegen Asylbewerber. Das ist der Eindruck von Reinmar Wipper, der bis Mitte November für die Fraktion Nürtinger Liste/Grüne im Gemeinderat gewesen ist. In einem offenen Brief fordert er die Rathausspitze auf, das Problem ernstzunehmen und den „irrationalen Befürchtungen“ entgegenzuwirken.

 

Der Hintergrund ist der Beschluss zur Roßdorfer Nanzwiese. Nach dem Willen des Gemeinderats sollen dort unter einer Hochspannungsleitung auf drei Jahre befristet Wohncontainer für die Anschlussunterbringung von bis zu 60 Flüchtlinge aufgestellt werden. Gegen den Standort hat es erheblichen Widerstand im Stadtteil gegeben. Rund ein Viertel des knapp 4000 Einwohner zählenden Roßdorfs stammt aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Gerade in diesem Bevölkerungsteil würden befeuert durch die Propaganda von russischen Medien Gerüchte und Ängste gedeihen, warnt Reinmar Wipper.

Früherer Stadtrat warnt vor „Wagenburgmentalität“

Frauen wollten künftig nicht mehr im Wald joggen und fürchten sich vor Vergewaltigung. Eltern hätten Angst um ihre Kinder, Ladenbesitzerinnen befürchteten Diebstähle durch Flüchtlinge, nennt Reinmar Wipper einige Beispiele. Es mache sich zunehmend eine „Wagenburgmentalität“ breit und es gebe sogar die Bereitschaft, eine „Bürgerwehr“ aufzustellen.

Von der Rathausspitze fordert der frühere Stadtrat zum Wohl des Stadtteilfriedens eine „seriöse, ehrliche, Vertrauen schaffende Aufklärung“. „Nachbarschaftliche Beschwichtigungen, in denen ich und andere Roßdorfer sich täglich versuchen“, so Reinmar Wipper, kämen alleine gegen diffusen Ängste nicht an.

Rathaus nimmt die „irrationalen“ Ängste ernst

Der Oberbürgermeister Otmar Heirich will den offenen Brief zum Anlass nehmen, „Multiplikatoren im Roßdorf sowie auch die Polizei und die Kirchengemeinden zu einem Runden Tisch einzuladen, um ums ein Bild von der ,Stimmungslage‘ zu machen“. Der Eindruck, die Stadtverwaltung nehme Einwände der Bürgerschaft gegen den Standort Nanzwiese nicht ernst, sei „absolut falsch“, schreibt Heirich in seiner Antwort. Einig ist er sich mit Reinmar Wipper darin, dass die beschriebenen Befürchtungen irrational sind. Gleichwohl betont der Rathauschef: „Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Bürger sehr ernst“.

Indessen hat die Stadt mit der Bürgervereinigung Roßdorf als Stadtteilvertretung bei der Suche nach langfristigen Ersatzstandorten für die Nanzwiese Fortschritte erzielt. Wie der Technische Beigeordnete Andreas Neureuther erklärt, gebe es fünf Alternativen, darunter Flächen in der Rembrandtstraße und im Rubensweg.