Bassam Hemidi (Name geändert) ist aus Syrien geflüchtet. Er lebt seit April mit 31 anderen Asylbewerbern in einer Unterkunft in Nürtingen-Neckarhausen. In Deutschland hofft er auf ein Leben in Frieden.

Nürtingen - Beim Thema Asyl geht es meist um Zuweisungen und um die Not der Landkreise und Kommunen, die Flüchtlinge unterzubringen. Nur wenige kennen die Menschen und ihre Schicksale, die hinter den Zahlen stehen. Bassam Hemidi (Name von der Redaktion geändert) ist einer von ihnen. Er ist erst in den vergangenen Monaten zur Ruhe gekommen. Seit er im April in der Asylunterkunft im Nürtinger Stadtteil Neckarhausen untergebracht worden ist, fühlt er sich einigermaßen sicher. Aber die Angst, in die Heimat zurückgeschickt zu werden, trägt er ständig in sich. Deshalb ist der 25-Jährige zwar einverstanden, ein Foto von ihm zu veröffentlichen, aber seinen richtigen Namen will er nicht in der Zeitung lesen.

 

Die Odyssee des Syrers begann im September des vergangenen Jahres. Nach seinem Pharmaziestudium an der Universität in Damaskus arbeitete er vier Jahre lang als Apotheker – bis zu dem Tag, als der Einberufungsbefehl zum Militärdienst in der syrischen Armee im Briefkasten steckte. Das habe in ihm die nackte Angst ausgelöst, angesichts des Krieges und Terrors in seinem Heimatland. „Ich wollte niemanden töten, und ich wollte nicht getötet werden“, sagt er. In Syrien sei er nicht mehr sicher gewesen, „ich musste eine Lösung finden“.

Gefährliche Überfahrt

Diese habe er einzig und allein in der Flucht gesehen. Von seiner Heimatstadt Damaskus sei er nach Aleppo gereist und von dort in eine kleine Stadt hinter der türkischen Grenze. Dort habe er eine Zeit lang als Maler gearbeitet. Doch die politische Lage dort sei für Syrer alles andere als stabil gewesen. Deshalb habe er sich bis nach Izmir weiter durchgeschlagen. Für die Flucht über das Meer nach Griechenland habe er sich einem Menschenschmuggler anvertraut, der sich für die Überfahrt in einem kleinen Boot 1000 Euro habe bezahlen lassen. „Günstig“ nennt Bassam Hemidi das, er kenne Landsleute, die für die gefährliche Überfahrt bis zu 15 000 Euro bezahlt hätten. Wie gefährlich die Fahrt in einer völlig überladenen Nussschale ist, hat der 25-Jährige schmerzlich erfahren müssen, obwohl er selbst sicher in Griechenland angekommen ist. Aber das Boot, das seine Schwester und deren drei Töchter von Ägypten nach Italien bringen sollte, sei gekentert, „alle vier sind ertrunken“, erzählt er und kämpft mit den Tränen.

In Athen habe er einem Schleuser weitere 1000 Euro bezahlt, um unter der Ladefläche eines Lastwagens auf die Fähre nach Italien zu gelangen. „Das war der blanke Horror“, erinnert sich Bassam Hemidi. Dort angekommen, sei er aufgeflogen und sollte zunächst zurückgeschickt werden, weil er kein Visum besaß. Drei Tage sei er in Italien in Haft gewesen, doch nachdem er seinen syrischen Pass vorgelegt hatte und ihm seine Fingerabdrücke abgenommen worden waren, „durfte ich gehen“. Über Venedig, Mailand und Paris ging die Irrfahrt weiter nach Hannover und Offenburg, bis er schließlich im März in der zentralen Aufnahmestelle in Karlsruhe gelandet sei. Von dort sei er nach Nürtingen gekommen.

Angst vor dem IS-Terror

In der Unterkunft in Neckarhausen lebt Bassam Hemidi zusammen mit 31 weiteren Flüchtlingen unter einem Dach, mit vier anderen Männern in einem Raum. Es geht beengt zu, aber „ich danke Gott, dass ich nicht in einem Container wohnen muss“, sagt er. Aber er empfinde es als sehr langweilig, nur zu essen und zu schlafen. Der Deutschkurs bei der Volkshochschule, den er vier Stunden pro Woche besucht, sei eine willkommene Abwechslung. Und für den 25-Jährigen eine absolute Notwendigkeit, um sich hier zu integrieren. Er glaubt an die „große Chance auf ein neues Leben in Frieden und Freiheit“. Denn in Syrien „hat man alles, aber ganz sicher keine Demokratie“. Außerdem werde der Alltag von der ständigen Angst vor den Terroristen des Islamischen Staats (IS) beherrscht. „Die brauchen keinen Grund, um dich zu töten“, sagt er. Viele Menschen glaubten, die Moslems seien für den IS, „aber das stimmt nicht“.

Hier in Deutschland akzeptiert zu werden und endlich arbeiten zu dürfen – „egal, ob als Apotheker oder auf dem Bau“ – sei sein Ziel. „Wenn wir Flüchtlinge etwas dazugeben und die Menschen, die uns aufnehmen ebenfalls, dann kann es klappen“, ist er überzeugt. Dass man fremden Menschen wie ihm in Deutschland bisweilen mit Argwohn begegne, sei ihm klar. Im Zug werde man allein deshalb kontrolliert, „weil man schwarze Haare hat“, oder Eltern raten ihren Kindern, einen anderen Weg als den an der Flüchtlingsunterkunft vorbei zu nehmen. Das Misstrauen könne er sogar verstehen, „angesichts der unguten Geschichten, die über Flüchtlinge kursieren“.

Die Menschen in Deutschland wünschten sich „eine Garantie, dass wir nicht so sind“. Wie sollen sie die bekommen? „Indem wir uns gut verhalten“, antwortet Bassam Hemidi, der hier unbedingt Fuß fassen will. In seiner Heimat habe er keine Perspektive, dort erwarteten ihn nichts als Armut, Arbeitslosigkeit und Krieg. Er würde aber gerne wieder nach Syrien zurückgehen, wenn dort Frieden herrschen würde, sagt der 25-Jährige. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das sobald der Fall ist.“