Kevin Kugel wurde 2013 in Köln zum Deutschen Meister der Chocolatiers gekürt. Wenige Monate später eröffnete er in seinem Heimatort eine Chocolaterie. Im Workshops lehrt er Laien die Kunst des Pralinenmachens. Wir waren dabei.

Nufringen - Viereinhalb Stunden dauert ein Pralinen-Workshop bei Kevin Kugel. Ein wahrhaftes Halbtagesprogramm, weshalb der Deutsche Meister der Chocolatiers dieses auch nur am Wochenende anbietet. Zwölf Teilnehmer können maximal mitmachen – mehr passen einfach nicht in die kleine Manufaktur mit angeschlossenem Laden-Café in der Nufringer Hauptstraße. Hier mitten in dem 5400-Einwohner-Ort, hat sich der Schokoladen-Meister niedergelassen. Es ist seine Heimat, hier ist der 29-Jährige aufgewachsen, zur Schule gegangen, hier hat er in der Jugend beim SV Nufringen gekickt.

 

Die Nufringer sind stolz auf ihren berühmten Bürger und sein Laden ist ein beliebter Treffpunkt für sie. Auch die Hälfte der Workshop-Teilnehmer kommt aus dem Ort, die andere Hälfte zum Teil von sehr weit her. Renate Irmschler etwa stammt aus Chemnitz. Die Mittsechzigerin ist die älteste in der Runde. Eigentlich sollte sie die Enkel hüten. Doch nun liegt ihre Tochter krank im Bett und Renate Irmschler begleitet den Schwiegersohn.

Lucia Eidelsburger ist sogar extra aus München angereist. „Meine Freundinnen haben mir zum 40. Geburtstag den Workshop geschenkt und mich hierher gefahren.“ Jetzt seien sie shoppen im Breuningerland. „Heute abend holen sie mich wieder ab.“ Und warum sind sie nicht mitgekommen in die Manufaktur? „Ich bin die Pralinenspezialistin. Meine Freundinnen wollen, dass ich noch besser werde.“

Kenner essen dunkle Schokolade

Zur Begrüßung serviert Sylvia Böckle, Kevin Kugels Lebensgefährtin und rechte Hand im Laden, den Gästen Prosecco. Dann geht es zur Verkostung. Denn „Schokolade ist nicht gleich Schokolade“, lernen die Kurzzeit-Konditorlehrlinge. Es beginnt mit weißer Schokolade. „Das ist eigentlich keine Schokolade, da ist kein Kakao drin, nur Kakaofett, Zucker und Milchpulver“, er klärt Kugel. Vollmilchschokolade beginnt mit 33 Prozent Kakao-Anteil. „Je höher dieser ist, desto dunkler und hochwertiger die Schokolade“, lernen die Teilnehmer. Richtig gute Produkte haben einen Kakao-Anteil von mindestens 70 Prozent. Der Geschmack hängt von der Herkunft der Kakaobohnen ab. Bohnen aus Peru schmecken eher mild, die aus Ecuador leicht säuerlich. Kugel hat im vergangenen Jahr selbst einige Kakao-Plantagen in Ecuador besucht. „Die Kakaobohnen befinden sich zwischen weißem Fruchtfleisch. Die Kapseln werden aufgeschnitten, mehrere Tage in der Sonne getrocknet. Dabei entwickeln die Bohnen ihren typischen Geschmack.“

Doch genug geredet, jetzt wird gearbeitet. Zwei Pralinen-Rezepte hat Kevin Kugel für seine Schüler mitgebracht: handgerollte Trüffel sowie gefüllte Pralinen. Das Grundrezept ist zunächst mal gleich: Sahne, Schokolade und dann eine oder mehrere beliebige Zutaten. Für die Trüffel wird diese Masse zunächst gespritzt und dann zu Kugeln gerollt. Bei den gefüllten Pralinen stellt diese Masse die Füllung dar. Die Hohlkörper, in die die Füllung kommt, werden noch extra hergestellt.

Das schwierigste bei der Kreation der eigenen Praline ist die Wahl der Zutaten. Die Auswahl ist riesig: Sternanis, Orangenpfeffer, Chilistreifen, Rosenblüten, Kardamom – und vieles mehr stehen in Gläsern bereit. Oder soll es vielleicht Rum sein, Holundersirup oder ein Whisky?

In Zweierteams wird gearbeitet. Lucia Eidelsburger hat sich mit Laura Rammler zusammengeschlossen, mit 19 Jahren die jüngste im Kreis. Für Chili-Pralinen entscheidet sich das Team. Andere wählen Maracuja-Curry – „eine sehr gute Kombination“, lobt der Meister oder Ingwer-Rhabarber – „das finde ich sehr mutig“, lautet das Urteil des Chefs.

Die Zutaten werden erwärmt und gerührt. Dann geht es an die Zubereitung der Hohlkörper: Dazu werden Pralinenformen mit flüssiger Schokolade – nach Wahl dunkle, Vollmilchschokolade oder weiße – befüllt. Währenddessen spritzen die Teilnehmer, die sich für das Trüffelrezept entschieden haben, ihre Masse auf ein Blech. Dabei ist die Feinmotorik gefragt. Eher grobschlächtig geht Jürgen Hanselmann vor. „Das werden ja Riesenpralinen“, moniert seine Frau Christina.

Pause vom Naschen: Es gibt Wurst und Oliven

Während die Pralinen im Klimaschrank kühlen, gönnen sich die Hobby-Konditoren eine Pause. Sylvia Böckle serviert ein mediterranes Buffet: Salami, Schinken, Käse, Oliven, Chilibrot, dazu gibt es Wein. „Das tut gut nach all dem Naschen von Schokolade“, sind sich die Teilnehmer einig. Alle sind begeistert vom Pralinen-Workshop, sogar die Schwiegermutter aus Chemnitz, die eigentlich nicht so recht mitwollte. „Ja, vielleicht mache ich jetzt auch mal zuhause Pralinen“, sagt sie. Christine Hanselmann, die mit ihrem Mann Jürgen teilnimmt, will gleich für Ostern mit ihren Kindern zusammen in die Pralinenproduktion einsteigen. „Denn die, die wir heute mit nach Hause bringen, reichen sicher nicht lange.“

14 solcher Seminare bieten Kevin Kugel und Sylvia Böckle, die aus der Eventbranche kommt, pro Jahr an. Alle sind auf Monate hinaus ausgebucht. Zusätzlich gibt es Verkostungen für geschlossene Gruppen, wie Geburtstagsveranstaltungen oder Firmenfeiern. Die Nachfrage nach Workshops ist groß. „Wir könnten noch viel mehr anbieten. Aber mehr schaffen wir nicht“, sagt Kugel. Schließlich müssen er und eine angestellte Konditorin auch die Pralinen und Schokoladenkreationen herstellen.

Verkauft werden sie im angeschlossenen Laden, wo auch Kaffee, heiße Schokolade und im Sommer selbst gemachtes Eis serviert werden. Außerdem beliefert der Chocolatier Hotels, Gastronomen und Firmen mit Pralinen. Mit diesem Konzept der erst vor einem Jahr eröffneten Chocolaterie ist Kugel so erfolgreich, dass ihn die Handwerkskammern Baden-Württemberg zum Gründer 2014 kürten. Zielstrebig hat der junge Konditor seine Karriere geplant: Deutscher Meister 2013 und siebter bei der WM, dann Gründung des eigenen Ladens.

Die Pause ist beendet – die Pralinen müssen raus aus dem Klimaschrank. Am Schluss erhalten sie noch einen Überzug aus Schokolade, Kokos- oder Maracujasplittern. Das krönende Finale ist die Geschmacksprüfung durch den Meister: „Wow“, lobt Kugel die Maracuja-Curry-Kreation, „einen Tick mehr Chili“ könnten die Chili-Pralinen vertragen. Angenehm überrascht ist er von der Rhabarber-Ingwer-Praline. „Die könnten wir glatt übernehmen.“ Die viereinhalb Stunden sind wie im Flug vergangen. „Das ist schon sehr aufwendig. Jetzt verstehe ich, warum Pralinen so teuer sind“, sagt eine Teilnehmerin.