Im US-Bundesstaat Nevada haben zwei autonom fahrende Laster der Daimler-Tochter Freightliner die weltweit erste Straßenzulassung erhalten. Der Konzern sieht ein großes Potenzial für autonome Lkw. In Deutschland fehlen allerdings bislang die rechtlichen Grundlagen für den Praxisbetrieb.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Daimler macht Tempo bei autonom fahrenden Lastwagen. Wie der Konzern mitteilte, haben zwei mit dem Steuerungssystem Highway Pilot ausgestattete Trucks der amerikanischen Tochter Freightliner im US-Bundesstaat Nevada die weltweit erste Straßenzulassung für autonom fahrende schwere Lkw erhalten. Wolfgang Bernhard, im Daimler-Vorstand für Lkw und Busse zuständig, sieht in dem High-Tech-Laster einen wichtigen Meilenstein. „Wir schreiben ein Stück-Truck-Weltgeschichte“ sagte er bei der Vorstellung des „Inspiration Truck“ in Las Vegas. Auch Kalifornien oder Oregon dächten über eine Zulassung nach.

 

In Deutschland und Europa ist es nach seinen Worten dagegen noch nicht zulässig, selbstständig fahrende Lkw im regulären Betrieb zu nutzen. Bernhard hofft, dass die dafür nötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen bis zum Ende dieses Jahrzehnts geschaffen werden. Dann könne die Technik sich rasch durchsetzen, zumal die Mehrkosten sich in Grenzen hielten. „Das autonome Fahren wird beim Lkw schneller kommen als beim Pkw“, prophezeit der Nutzfahrzeugchef. Laster würden viel häufiger genutzt und seien eher auf langen Strecken unterwegs.

Anpassung an amerikanische Verhältnisse

Auf einem abgesperrten Abschnitt der Autobahn A 14 bei Magdeburg hatte bereits im vergangenen Juli ein Prototyp namens Mercedes-Benz Future-Truck die laut Daimler erste autonome Lkw-Fahrt überhaupt absolviert. Die dort eingesetzten Systeme und die dazugehörige Software wurden in der Zwischenzeit für den Einsatz auf amerikanischen Highways modifiziert.

Um sich auf der Straße und im Verkehr orientieren zu können, verfügt der Freightliner Inspiration Truck über ein Frontradar und eine Stereokamera, die den Bereich vor dem Fahrzeug überwacht. Komplettiert wird das System von elektronischen Helfern, die teilweise bereits bei konventionell gesteuerten Lastwagen und bei Pkw im Einsatz sind. Beispiele dafür sind der Abstandsregeltempomat, der bei jeder eingestellten Geschwindigkeit den nötigen Abstand zum Vordermann einhält oder der Spurhalteassistent.

Vom Fahrer aktiviert werden kann die autonome Steuerung aber erst, wenn sich der Truck auf der Autobahn befindet – vergleichbar einem Flugzeug, dessen Pilot erst nach Erreichen der Reiseflughöhe auf Autopilot schaltet. Präziser wäre es daher, von einem teilautonomen Lkw zu sprechen, räumte Bernhard ein. Der Highway Pilot erkennt Fahrbahnmarkierungen, Schilder und Hindernisse und hält sich automatisch an Tempolimits. Auch im nervigen Stop-and-Go-Betrieb werde der Fahrer entlastet. „Das heißt aber nicht dass er nebenher Videos gucken kann“, so Bernhard. Ähnlich wie ein Pilot sein Flugzeug müsse der Fahrer den Lkw überwachen – für den er auch rechtlich weiterhin verantwortlich sei.

In schwierigen Situationen muss der Fahrer eingreifen

Mit fortschreitender Automatisierung sei aber auch denkbar, dass die Trucker andere Aufgaben übernehmen – und sich etwa per Tablet-PC um Disposition oder Büroarbeit kümmern. Das in Nevada zugelassene System ist so ausgelegt, dass es jederzeit durch manuelle Eingriffe des Fahrers via Lenkrad oder Pedale „übersteuert“ oder ganz deaktiviert werden kann. Auch Überholen kann der schlaue Laster nicht alleine. Zudem ist es möglich, dass der Highway Pilot den Fahrer per Anzeige und Warnton auffordert, die Kontrolle wieder zu übernehmen. Das kann der Fall sein, wenn das System wegen Bauarbeiten oder Schlechtwetter die Umgebung nicht mehr sicher erfassen kann.

Neben einem Zugewinn an Sicherheit verspricht sich Daimler vom autonomen Lkw auch wirtschaftliche Vorteile. So sei der Spritverbrauch nach den Ergebnissen der bisherigen Testfahrten rund fünf Prozent niedriger. Autonom gesteuerte und miteinander vernetzte Fahrzeuge könnten auch stark befahrene Regionen meiden und damit helfen, Staus zu verhindern. Zudem belegten Hirnstrom- und EKG-Aufzeichnungen bei den Fahrern, dass diese durch den Autopiloten weniger gestresst sind, langsamer ermüden und konzentrierter sind. Das bedeute mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer, sagte Bernhard.