Während es in anderen Teilen der Welt gut läuft, erwartet die Branche der Nutzfahrzeuge in Europa ein Minus. Besonders starke Einbrüche gab es in Spanien und Italien.

Brüssel - Die deutsche Nutzfahrzeugbranche spürt in Europa zunehmend Gegenwind. „Der Wind ist im laufenden Jahr rauer geworden“, sagte Matthias Wissmann, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), im Vorfeld der im Herbst in Hannover stattfindenden internationalen Neuheitenschau IAA. Auch die Nutzfahrzeugindustrie spüre, so Wissmann, dass sich die Staatsschuldenkrise in einigen Ländern Europas auf die Nachfrage auswirke. Für das Gesamtjahr rechnet der Verband mit einem Rückgang des westeuropäischen Marktes für schwere Lkws um bis zu vier Prozent auf rund 256 000 Fahrzeuge.

 

Der europäische Branchenverband Acea hat kürzlich mitgeteilt, dass die Neuzulassungen von leichten bis schweren Nutzfahrzeugen in der EU in den ersten vier Monaten um zehn Prozent eingebrochen sind. Besonders heftige Einbrüche gab es dabei in Spanien (minus 24 Prozent) und Italien (minus 37 Prozent). Daimler ist Marktführer bei schweren Nutzfahrzeugen in Europa. Der Stuttgarter Konzern fährt derzeit besser als die Branche. Er profitiert davon, dass es bei seinem schweren Lkw Actros vor Kurzem erst einen Generationswechsel gegeben hat.

Trotz der Abschwächung in Europa wird der Weltmarkt für schwere Lkws nach Einschätzung des VDA im laufenden Jahr um fünf Prozent auf 3,27 Millionen Fahrzeuge zulegen. „Dabei ist der US-Markt besonders dynamisch“, sagte Wissmann. Dort wird mit einer Zunahme des Absatzes um rund ein Fünftel auf 366 000 Fahrzeuge gerechnet. Davon profitiert besonders die Daimler-Tochter Freightliner, die in diesem Segment US-Marktführer ist. Auch in Russland, Japan und Indien geht es nach Angaben von Wissmann weiter aufwärts. In Japan war der Markt im vergangenen Jahr nach der Katastrophe von Fukushima allerdings eingebrochen. Schwach präsentiert sich in diesem Jahr laut VDA der brasilianische Markt, was auf die Einführung eines neuen Abgasstandards sowie auf eine konjunkturelle Abschwächung zurückgeführt wird. Die deutschen Hersteller sind dort Marktführer. Auch China – mit mehr als einer Million Fahrzeugen weltweit der größte Markt – legt voraussichtlich mit einem Minus von drei Prozent eine Wachstumspause ein. „Mittelfristig geht das Wachstum in China aber weiter“, zeigte sich Wissmann zuversichtlich.

„Eine starke Erholung“

Vor dem Hintergrund der schwierigen konjunkturellen Lage in Europa sei die Entwicklung bei den deutschen Nutzfahrzeugherstellern ordentlich, aber auch das Ergebnis harter Arbeit, betonte der VDA-Präsident. Die vergangenen Jahre waren von einer Aufholjagd nach der schwersten Branchenkrise der Nachkriegszeit geprägt. „Die beiden vergangenen Jahre haben eine starke Erholung gebracht“, sagte Wissmann. In Westeuropa sei der Absatz schwerer Nutzfahrzeuge 2011 auf 262 000 Stück gestiegen – ein Plus von rund einem Drittel gegenüber dem Krisenjahr 2009. Auch die Transportermärkte hätten wieder Tritt gefasst.

Im vergangenen Jahr haben die deutschen Nutzfahrzeughersteller ihre Produktion um gut ein Viertel auf mehr als 1,2 Millionen Fahrzeuge gesteigert. Im laufenden Jahr haben sie das Tempo jedoch deutlich gedrosselt. Im ersten Quartal legte die Produktion noch insgesamt um vier Prozent auf 106 300 Nutzfahrzeuge zu.

Transportvolumen ist auf Wachstumskurs

Wissmann wies darauf hin, dass gerade der Markt für schwere Nutzfahrzeuge traditionell rasch auf sich verändernde Konjunkturlagen reagiere. So sei der Inlandsabsatz in den ersten fünf Monaten um sechs Prozent zurückgegangen. Das Transportvolumen sei jedoch weiter auf Wachstumskurs. Daher werde für das Gesamtjahr bei schweren Nutzfahrzeugen ein nur leichter Rückgang der Neuzulassungen um drei Prozent auf 86 000 Fahrzeuge erwartet.

Die positive Perspektive für das Transportvolumen stützt auch eine vom Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW kürzlich veröffentlichte Umfrage. Danach wird sich das Transportaufkommen in Deutschland im nächsten halben Jahr trotz der konjunkturellen Unsicherheiten weiter positiv entwickeln. Im Straßengüterverkehr, bei den Kurier-, Express- und Paketdiensten sowie im kombinierten Verkehr (Straße/Schiene) rechnen die befragten Experten mit einem leichten Wachstum. Bei der Luft- und Seefracht wird sogar mit stark steigenden Transportmengen gerechnet.