77,2 Prozent der Wähler haben dem Amtsinhaber bei der Oberbürgermeisterwahl ihre Stimme gegeben.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Bereits um 18.07 Uhr hatte der erste der 74 Wahlbezirke sein Ergebnis an das Esslinger Rathaus weitergemeldet. Fast im Sekundentakt folgten dann weitere. Bereits um 18.43 Uhr stand das vorläufige Ergebnis der Esslinger Oberbürgermeisterwahl fest und sorgte bei eigentlich allen Kandidaten für zufriedene Gesichter.

 

Der Sieger des Abends heißt aber eindeutig Jürgen Zieger. Der alte Ratschef ist auch der neue. Zieger erhielt 13 228 und damit 77,2 Prozent der abgegebenen Stimmen. Aber auch der Regisseur Armin Vetter – er erreichte mit 12,8 Prozent das zweitbeste Ergebnis – und Mirco Huber, der sich im Wahlkampf für soziale Projekte stark gemacht hatte und 5,6 Prozent der Stimmen verbuchen konnte – zeigten sich erfreut über den Ausgang. Der Spaßkandidat Micha Hänßler von der Partei „Die Partei“ kam auf 3,7 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 25,8 Prozent.

Geringe Wahlbeteiligung als Ausdruck der Zufriedenheit

In einer ersten Stellungnahme dankte Zieger den Wählern für das „grandiose Wahlergebnis“: „Das ist die beeindruckende Bestätigung meiner Arbeit.“ Ein noch besseres Ergebnis habe er sich nicht erhofft: „Als Oberbürgermeister, der seit 16 Jahren in einer Stadt arbeitet, wird man mit vielen Dingen in Verbindung gebracht, mit denen die Leute nicht zufrieden sind.“ Auch unter diesem Aspekt seien die 77,2 Prozent bemerkenswert. Die relativ geringe Wahlbeteiligung ist aus Ziegers Sicht „Ausdruck der Zufriedenheit der Bürger“ mit der politischen Arbeit in der Stadt im Allgemeinen und mit seiner Amtsführung im Besonderen.

Auf einige zentrale Themen will er in den kommenden acht Jahren sein besonderes Augenmerk legen. „Der Wirtschafts- und Handelsstandort Esslingen muss stabilisiert werden“, sagte Zieger. Wichtig sei es deshalb, die Einwohnerzahl auf dem heutigen Niveau, also bei rund 90 000 Bürgern – zu stabilisieren. Dazu müsse man im Dialog mit den Menschen in der Stadt eine geeignete Lösung für einen neuen Flächennutzungsplan finden. Gleichzeitig werde er darauf achten, angesichts der Altlasten im Bereich der Straßen- und Brückensanierung den städtischen Haushalt im Griff zu behalten.

Zieger kämpft weiter für den Klimaschutz

Ein weiteres wichtiges Anliegen sei es, das kulturelle Angebot auf dem Stand zu halten, auf dem es sich bisher befunden habe. Dazu müsse man die Netzwerke sichern. „Und selbst wenn es die Leute nervt: Ich werde bei meinen Bemühungen, den Klimaschutz zu stärken, nicht nachlassen“, kündigte der wiedergewählte SPD-Oberbürgermeister nach der Wahl an.

Dies alles sei aber nur möglich, wenn es gelinge, die Bürgerschaft angesichts immer unterschiedlicherer Meinungen zu einzelnen Themen zusammenzuhalten. Das sei die wichtigste Aufgabe für ihn als Oberbürgermeister, betonte Zieger. Erreichen lasse sich das aus seiner Sicht nur, wenn man den Diskussionen zu allen Themen zunächst Raum gebe. Zieger: „Dann allerdings müssen wir irgendwann auch einen Strich darunter setzen und Dinge entscheiden.“

Vetter ist mit Ergebnis zufrieden

Der Herausforderer Armin Vetter war einer der ersten, der Jürgen Zieger zur Wiederwahl gratulierte. Seine 12,8 Prozent wertete der Regisseur und Produzent als persönlichen Erfolg: „Ich bin mit meinem Ansatz eines neuen Führungsstils bei vielen Bürgern angekommen“, sagte er. Aus seiner Sicht sei immer klar gewesen, dass die Esslinger den Amtsinhaber wiederwählen würden. Deshalb und auch, weil er beruflich in den letzten Wochen stark eingebunden gewesen sei, habe er auf einen Wahlkampf verzichtet. Vetter: „Ich habe das pragmatisch gesehen: Warum hätte ich viel Zeit und Geld in eine Ergebniskosmetik investieren sollen?“

Zwar gebe es in den kommenden acht Jahren noch viel zu tun, sagte Zieger. Zunächst wolle er aber feiern. Das Ergebnis sei eine große Motivation für ihn, sich noch einmal in hohem Einsatz für die Stadt zu engagieren. Jürgen Zieger wörtlich: „Ich habe Lust dazu und freue mich drauf.“ Für den 59-jährigen Zieger war es die letzte Oberbürgermeisterwahl.

Kommentar: OB muss im Rathaus aufräumen

Frankfurt - Zwischen dem Neuen und dem Technischen Rathaus in der Ritterstraße liegen Luftlinie rund 200 Meter. Wenn es um das Thema Bürger- und Gemeinderatsbeteiligung geht, beträgt die gefühlte Distanz momentan aber Lichtjahre. Denn in der Ritterstraße ist offenbar noch nicht angekommen, wie wichtig es dem Neuen Rathaus ist, die Menschen bei politischen Entscheidungen mitzunehmen.

Aus der misslungenen Diskussion über den Flächennutzungsplan hat man wenig gelernt. Zuletzt hat sich das Technische Rathaus bei den Plänen, in der Pliensauvorstadt ein Daimler-Logistikzentrum zu ermöglichen, nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Ohne den Gemeinderat oder die Bürger über das Projekt zu informieren, hat die Bauverwaltung vor der Sommerpause eine Voranfrage des Investors positiv beschieden. Die Absage Ziegers an Daimler kurz vor der OB-Wahl war vor allem eine Reaktion auf den starken Protest im Stadtteil. Diese Kehrtwende wiederum hat viele Stadträte irritiert. Sie sehen den Wirtschaftsstandort beschädigt.

Das Wahlergebnis vom Sonntag spiegelt auch solche Entwicklungen wider. Jürgen Zieger hat zwar eine deutliche Mehrheit erreicht. Aber auch die Zahl der Stimmen, die seine politisch unerfahrenen Herausforderer auf sich vereinen konnten, ist beachtlich. Zum Teil lässt sich das sicher damit begründen, dass Jürgen Zieger ein überaus agiler und wirkungsvoller Oberbürgermeister ist, der sich mit den vielen in seiner Amtszeit umgesetzten Projekten auch etliche Gegner gemacht hat.

Zum Teil spiegelt sich darin aber auch ein Unbehagen über die Zustände in der Stadtverwaltung wider. Das betrifft im übrigen nicht nur das Technische Rathaus. Auch die Kultur beklagt, dass sich das Verhältnis zum zuständigen Amt ständig verschlechtert. Verglichen mit den Aufgaben, die jetzt vor ihm liegen, war die Wiederwahl für Jürgen Zieger also nur ein Kinderspiel. Er sollte die Freiheit nutzen, die ihm seine letzte Amtszeit gibt, um jetzt erst einmal intern im Rathaus aufzuräumen. Dann steht einer erfolgreichen dritten Wahlperiode nichts im Weg.