Nach der Wahl ist vor der Wahl: Die immer noch unter Schock stehenden Genossen setzen ersatzweise auf Grün. Der SPD-Kreisvorstand sieht bei dem grünen Bewerber die größten Übereinstimmungen.

Stuttgart - Auf der Internetseite der Stuttgarter SPD hat am Dienstag noch der Aufruf des Kreisvorsitzenden Dejan Perc zum „Wahlkampfendspurt“ gestanden. Doch das Thema OB-Wahl ist für die Genossen nach dem Tiefschlag von 15,1 Prozent für ihre parteilose Kandidatin Bettina Wilhelm gelaufen, die – wie berichtet – zum zweiten Wahlgang am 21. Oktober nicht mehr antreten wird. Wegen des „bedrückenden Wahlergebnisses“ habe es am Dienstagabend auf der Sitzung des Kreisvorstands aber keine Schuldzuweisungen gegeben, so Perc. Alle Mitglieder hätten Bettina Wilhelm für ihren sehr engagierten Wahlkampf gedankt.

 

Nun setzen die immer noch unter Schock stehenden Genossen ersatzweise auf ein grünes Konkurrenzprodukt. Der Kreisvorstand hat am Montagabend beschlossen, den SPD-Mitgliedern und Sympathisanten zu empfehlen, beim zweiten OB-Wahlgang ihr Kreuz bei dem Grünen-Kandidaten Fritz Kuhn zu machen. „Dieser Beschluss ist einstimmig gefallen“, betont der Kreisvorsitzende. Alle seien sich einig gewesen, dass es mit Kuhn die größten inhaltlichen Übereinstimmungen gebe. Die sieht Perc vor allem in der Wohnungspolitik, bei der man Wilhelms 100 Millionen Euro starkes Förderprogramm auf den Weg bringen will. „Auch beim Thema Bildung sind wir mit Herrn Kuhn hinsichtlich der Förderung von Gemeinschaftsschulen einig“, so Perc. Gleiches gelte auch für den Kampf gegen Dumpinglöhne im öffentlichen Dienst – etwa auf dem Stuttgarter Flughafen. „Ich habe noch während der Kreisvorstandssitzung mit Herrn Kuhn telefoniert“, betont Perc. „Er hat bestätigt, dass in diesen Punkten zwischen uns große Übereinstimmungen bestehen.“

Auch beim Kollegen Kreisvorsitzenden der Grünen kommt Freude auf: „Die Entscheidung der SPD zeigt, dass ihr das Wohlergehen der Stadt am Herzen liegt“, sagt Philipp Franke. Zwischen beiden Parteien sei aber nicht verhandelt worden. „Die SPD hat erkannt, dass ihr Kuhn viel näher als Turner liegt.“

SPD will Konsequenzen aus Wahl-Schlappe ziehen

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Roswitha Blind sieht die Dinge ebenfalls auf gutem Weg. „Es gibt in der Wohnungspolitik keine Differenzen zwischen Partei und Fraktion“, stellt sie fest – und kontert damit entsprechende Vorwürfe des Mietervereinsvorsitzenden Rolf Gaßmann. Das gelte auch für das 100-Millionen-Programm für den Wohnungsbau. „Ich freue mich, dass das auch von Herrn Kuhn als Übereinstimmung angesehen wird.“

Die Genossen wollen nach der für sie gelaufenen OB-Wahl auch rasch inhaltliche Konsequenzen ziehen. Schließlich steht bereits im Herbst 2013 die Bundestagswahl an – und ein Jahr später folgt der Urnengang für den Gemeinderat. „Das Wahlergebnis vom 7. Oktober muss und wird Konsequenzen für unsere Arbeit haben“, sagt Perc. Erste Erkenntnisse sollen schon in zwei Wochen auf einer Konferenz des Kreisvorstands mit den Ortsvereinsvorsitzenden gewonnen werden. Auch auf der für Mitte November geplanten Kreiskonferenz dürfte es eine lebhafte Debatte um ein stärker ausgeprägtes sozialdemokratisches Profil geben.

Inhaltlich liegt aber noch nichts Neues auf dem Tisch. Der Kreisvorstand hat zwar einen Arbeitskreis „bezahlbarer Wohnraum“ gebildet. Der hat aber noch nicht getagt. „Wir brauchen in Stuttgart unbedingt mehr preiswerten Wohnraum“, sagt das Kreisvorstandsmitglied Daniel Campolieti, Leiter des Arbeitskreises. „Um das zu erreichen, werden wir mit den Wohnungsbaugenossenschaften nach Wegen suchen, um mehr günstigen Wohnraum zu schaffen.“