In der Folge einer Ehekrise landete Frank Hartwig auf der Straße, schlief im Parkhaus und schüttete sich mit Weinbrand zu.

Stuttgart - Es gibt Geschichten, die mit einer Frage beginnen. Diese ist so eine. "Hast du mal 'nen Euro?" In der Fußgängerzone schnorrt einer, der aus der Zeit gefallen ist. Er streckt eine Hand aus, die länger kein Wasser mehr gesehen hat.

Bettler sind lästig. Sie bohren einem ins Gewissen. Man weiß nicht, ob da eine arme Sau hockt oder ein gerissener Hund? Man weiß nur, dass man da selbst nicht sitzen möchte. "Könnte mir nicht passieren", flüstert die innere Stimme. Alles abgesichert. Das Eigenheim, der Wagen, die Urlaubsreise, sogar der eigene Tod. Obdachlos wird man nicht so leicht. Oder doch?

Das Nobelste an seinem Zimmer ist ein kleiner Fernseher


Ein Euro für einen Namen. Hartwig heißt der Mann aus der Fußgängerzone. Ein Euro für eine Lebensgeschichte. Er erzählt sie bei sich zu Hause in einem Zimmer, das den feuchtwarmen Geruch von Alkohol und Nikotin atmet. Die Wohnungslosenhilfe hat ihn hier einquartiert, bei Jürgen und Wolle. Eine bescheidene Bude, die spiegelbildartig den Seelenzustand der Mieter reflektiert. Letzte Zuflucht für einen, der nicht mehr allzu weit kommt.

Hartwig macht es sich bequem. Er trägt schwarze Badelatschen über den beigen Socken. Seine verwaschene Jeans wirkt ein bisschen zu groß für die dürren Beine. Unterhalb des Knies spürt er sie kaum noch. In seinen Füßen ist das letzte Glimmen bereits erloschen. Manchmal hat er zu Hause die Straßenschuhe an und merkt es gar nicht. Der Schnaps frisst langsam von innen. Er kann nicht ohne sein. Sein Leben flackert nur, wenn Alkohol im Docht ist.

Das Nobelste an seinem Zimmer ist ein kleiner Fernseher. Über dem Bett hängt ein geknüpfter Wandteppich mit Tiger-Motiv. Ein Geschenk, das ihn seit vielen Jahren begleitet. Am Boden wartet billiger Fusel auf Zuspruch. Hartwig nimmt einen Schluck. "Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus", sagt er. "Ich bin nun mal ein Alkoholiker." Die Pulle stellt er neben einem Koffer ab, der schon bessere Tage hatte. Er ist voll mit Erinnerungen, Bildern und Papieren. Im Koffer hat er sein Leben abgeheftet - und seine Restwürde.