Sein Entdeckergeist hat den Ingenieur Kurt Hirschel Kameramann werden lassen. Mit Hans Hass, Horst Stern und Volker Arzt hat er große Naturdokumentationen gedreht. Beim Festival Naturvision bekommt er nun den Ehrenpreis.

Ludwigsburg - Kurt Hirschel ist der Mann hinter der Kamera. Der, von dem gewöhnlich erst einmal niemand redet, weil keiner an ihn denkt. Dabei ist Hirschel der Mann, der das Spinnenbild der Deutschen in den 70er Jahren nachhaltig verändert hat. Der 89-Jährige kann den Ekel der Menschen, die auf Tische springen, wenn sich ihnen ein Achtbeiner nähert, zwar nicht nachvollziehen. Aber durch seine Aufnahmen für den TV-Zweiteiler „Bemerkungen über die Spinne – Leben am seidenen Faden“ hat er in den 70er Jahren bei einem Großteil des TV-Publikums dennoch Ekel in Faszination verwandelt. Er selbst macht darüber wenig Worte. Ein Kameramann wie er schweigt, sucht Motive und erdenkt neue technische Tricks.

 

Kaum jemand erfährt so, dass Hirschel damals zusammen mit seiner Frau die Spinnen selbst gezüchtet hat. In der damaligen Kornwestheimer Wohnung und im dortigen Studio der Familie wuchsen über 80 verschiedene Spinnenarten – aus Eiern gezüchtet – heran. „Das ist viel Arbeit“, sagt Hirschel nüchtern. Die Futterzucht, also das Aufziehen von Fliegen und Heuschrecken, sei dabei sehr wichtig – und sehr aufwendig: „Fürs Futter brauchen Sie ja wieder Futter“, sagt er. Und schweigt darüber, dass er nebenbei noch eine technische Anlage erfunden hat, die ihn und seine Frau geweckt hat, als nachts um 2.30 Uhr die Spinnen schlüpften. Es waren die atemberaubenden Bilder dieser Szene, die diesen Teil von Horst Sterns Serie „Sterns Stunde“ zu wirklichen Sternstunden werden ließen.

Horst Sterns Filme lebten von Hirschels Bildern

Hirschel ist eine lebende Legende. Mit Hilfe seiner Bilder hat der kritische Umweltjournalist und SDR-Redakteur Stern den Deutschen in den 70er Jahren die Augen für die Natur neu geöffnet und mit seinen Thesen oft für Kontroversen gesorgt. Es war Hirschel, der im bayerischen Wald auf die Pirsch ging und für Sterns „Bemerkungen zum Rothirsch“ mit seiner Kamera die Bilder von Wildrudeln fand, die Stern brauchte. Ganz allein war er unterwegs. „Da ist man selbst oft schon zuviel“, sagt er.

Die Reaktionen auf den Film waren weniger still. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1971 ausgestrahlt, sagte Stern darin Sätze wie „Man rettet den deutschen Wald ja nicht, indem man Oh Tannenbaum singt.“ Unter anderem kehrten Hirschels Bilder das Image vom niedlichen Bambi in sein Gegenteil um und zeigten, dass das Rehkitz auch zum Feind des Waldes werden kann, wenn es im Überfluss vorhanden ist. Jäger und Tierschützer gingen gleichermaßen auf die Barrikaden. Und bei jedem Film lernte auch Hirschel, der eigentlich Ingenieur und Techniker war, dazu. „Meine Sicht auf die Tiere hat sich verändert“, sagt er. „Tiere in Gefangenschaft zu halten, heißt immer, ihnen den Lebensraum zu nehmen“. Artgerecht gehe das nicht.