Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim könnte der Politik in die Quere kommen. Am Montag wird er entscheiden, ob ein junger Mannes, der als Soldat im Kampf gegen die Taliban eine dauerhafte Verletzung davon getragen hat, mit seiner Familie in Kabul überleben kann.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Mannheim - Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) hat am Freitag mit den ersten Verhandlungen begonnen, die von Bedeutung für die Einschätzung Afghanistans als sicheres Herkunftsland und damit die politische Diskussion in Deutschland sein könnten. Im Kern geht es darum, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Klägern den Flüchtlingsstatus, subsidiären Schutz oder zumindest ein nationales Abschiebungsverbot hätte gewähren müssen.

 

Schon dass der VGH die Berufungen zugelassen hat, zeigt, dass er den Fällen grundsätzliche Bedeutung zumisst. „Wir werden uns ein Bild darüber machen müssen, wie die Lage in Afghanistan, wie die Lage für den Kläger ist, und ob er aufgrund seiner gesundheitlichen Situation seinen Lebensunterhalt bestreiten kann“, sagte der Vorsitzende des elften Senats, Michael Funke-Kaiser, bei Verhandlungsbeginn.

„Verwaltungsgericht Karlsruhe war zu hemdsärmelig“

Für den ersten Fall attestierte er dem Verwaltungsgericht Karlsruhe, „die Frage der medizinischen Versorgung etwas zu hemdsärmelig wegdiskutiert“ zu haben. Konkret geht es um einen 22-Jährigen, dessen drei Brüder sich gegen den Willen der Taliban einer Bürgerwehr angeschlossen haben. Er selbst beschloss nach der Ermordung des Vaters durch die Taliban und der Emigration seiner Brüder nach Pakistan und in den Iran, der afghanischen Armee beizutreten, „um etwas für mein Land zu tun“, wie er sagte. Bei einem Angriff durch Talibankämpfer wurde er durch Granatsplitter am ganzen Körper verletzt. Nach der Versorgung durch US-Ärzte riet man ihm im Militärhospital in Kabul zur Amputation seiner Hand. Das verweigerte er. In seinem Heimatort, wo er sich erholen wollte, wurde er wieder von den Taliban bedroht. Er ließ seine Frau und seine zwei Kinder bei den Schwiegereltern zurück und sah für sich selbst keinen anderen Ausweg, „als Afghanistan zu verlassen“.

Hinsichtlich der medizinischen Versorgungslage verwies der Senatsvorsitzende auf den Abzug des Roten Kreuzes aus Teilen des Landes. Außerdem sei die Versorgungslage mit Nahrungsmitteln insbesondere für Familien mit kleinen Kinder prekär. Fraglich sei auch, ob das Leben in Kabul eine interne Fluchtmöglichkeit darstelle, und ob der Kläger mit seinem Handicap den Überlebenskampf bestehen könne. Am Montag will der Senat seine Entscheidung verkünden. Im Fall des zweiten Klägers ist ein weiteres medizinische Gutachten nötig.