Erleichtert hat das Gewerkschaftslager in Baden-Württemberg den Tarifabschluss für die Länder aufgenommen. Doch nicht alle werden gewinnen: Nun wird noch um die Beamtenbesoldung und die angestellten Lehrer gerungen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Gehaltsschub von insgesamt 5,6 Prozent kommt bei den Arbeitnehmern der Länder offenbar gut an. Damit werde die Preissteigerung ausgeglichen und der Anschluss an die Bezahlung bei Bund und Kommunen gewahrt, sagt die Verdi-Landesvize Dagmar Schorsch-Brandt – selbst wenn die 2,65 Prozent im ersten Jahr etwas hinter den Erwartungen zurückblieben. Die 2,95 Prozent für 2014 könnten sich sehen lassen. Zudem werde die Urlaubsregelung als Erfolg betrachtet, denn der „Generalangriff auf die 30 Tage Urlaub“ sei in vollem Umfang abgewehrt worden. In jedem Fall habe die Verdi-Bundestarifkommission das Ergebnis den Gewerkschaftsmitgliedern einstimmig zur Annahme empfohlen – „das war in den vergangenen Jahren nie der Fall“, betont Schorsch-Brandt gegenüber der Stuttgarter Zeitung.

 

Der Chef des Beamtenbundes im Südwesten, Volker Stich, freut sich gar  über einen „phänomenalen Abschluss“, gemessen an der Skepsis auf beiden Seiten im Vorfeld der Tarifrunde. Verdi und der Beamtenbund hätten sich mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) innerhalb kürzester Zeit und unter Beiseiteschieben fast unüberwindlicher Hürden geeinigt.

Gemeint sind vor allem die angestellten Lehrer, deren Forderungen fast die gesamte dritte Verhandlungsrunde in Beschlag nahmen. Am Ende lehnte die TdL einen Eingruppierungstarifvertrag aber ab. „Die Arbeitgeber wollten die Lehrkräfte demütigen“, zürnt die Verhandlungsführerin der Erziehergewerkschaft GEW, Ilse Schaad. „Sie waren nicht bereit, auf das einseitige Bestimmungsrecht bei der Eingruppierung der Lehrkräfte zu verzichten.“ Betroffen sind bundesweit 200 000 und in Baden-Württemberg 12 000 pädagogische Fachkräfte, deren Einkommen – als einziger Berufsgruppe im öffentlichen Dienst der Länder – nicht tariflich geregelt ist.Die Landesvorsitzende Doro Moritz erinnert daran, dass Grüne und SPD den Eingruppierungstarifvertrag bis 2011 selbst gefordert hätten. „Jetzt lassen sie tatenlos zu, dass die pädagogischen Profis im 21. Jahrhundert nach Gutsherrenart bezahlt werden.“ Grün-Rot zeige erneut, dass ihr Bildung nichts mehr wert sei. Dem Vernehmen nach strebt die GEW den Einstieg in eine einheitliche Lehrerbezahlung, unabhängig von der Schulart und den Bildungsvoraussetzungen, an. Da leisteten nicht nur die Arbeitgeber, sondern den öffentlichen Solidaritätsbekundungen zum Trotz auch der Beamtenbund Widerstand. Zudem habe sich Verdi-Chef Frank Bsirske den Lohnbeschluss nicht durch einen Seitenaspekt beschädigen lassen wollen.

Der Beamtenbund sieht Grün-Rot vor dem „Offenbarungseid“

Die GEW wiederum wollte nicht auf Kompromissangebote der TdL eingehen, die eine Verbesserung für die „Erfüller“ gebracht hätten. Das sind Lehrer, die die Voraussetzungen für den Beamtenstatus mitbringen. Doch wollte die Gewerkschaft einen Tarifvertrag für alle Lehrer. Trotzdem stimmte die GEW-Verhandlungskommission dem Entgeltabschluss vorerst zu, um das Lohnplus nicht ein weiteres Mal erkämpfen zu müssen. Im Raum stehen aber Streikdrohungen. Über die Aussichten eines Erzwingungsstreiks ohne die Unterstützung der großen Gewerkschaften will die GEW sehr rasch mit der Basis diskutieren.Ein weiteres Gefechtsfeld tut sich zwischen der grün-roten Landesregierung und den Beamtenorganisationen auf. Landesbund-Chef Volker Stich verlangt die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamten und Versorgungsempfänger. „Sonst stehen wir in zwei Monaten kurz vor der Bundestagswahl wieder auf dem Schlossplatz“, warnt er.

Nun hat die Landesregierung mehrere Möglichkeiten, wenn sie seiner Forderung nicht Folge leisten, sondern sparen will: sie kann die Besoldungserhöhung begrenzen oder gleich eine Nullrunde verhängen. Eine dritte Variante, die in der Vergangenheit immer wieder genutzt wurde, ist die Übernahme des Abschluss mit einer gewissen Verzögerung. Bei einem Treffen Anfang März zeigte sich Edith Sitzmann, Fraktionschefin der Grünen, dieser Option offenbar nicht mehr abgeneigt – die harten Fronten, die auf eine Nullrunde oder eine Deckelung hingedeutet haben, scheinen sich aufzulösen. In der Landesregierung wird offenbar ernsthaft darüber nachgedacht, wie man den Konflikt in ruhigere Bahnen bringen kann.

„Jetzt kommt der Offenbarungseid für Grün-Rot“, sagt Stich. Die Entscheidung werde dazu führen, dass die Beamtenschaft entweder ohne Wenn und Aber in einer Generalopposition bleibe oder aber weiterhin konstruktiv mitarbeite. Mit der Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts mag er entgegen bisherigen Darstellungen noch nicht drohen. „Dazu ist der Abstand bei den Einkommen noch nicht groß genug“, sagt er. Wenn die Landesregierung jedoch eine Nullrunde plane, würde die Differenz zu den Gehältern der Angestellten bis Ende 2014 sieben bis acht Prozent betragen. „Dieser Abstand würde eine Überprüfung in Karlsruhe geradezu zwingend machen – ob wir wollen oder nicht: dann müssen wir.“ Somit werde das Land wohl kein „politisches Harakiri“ betreiben. Selbst Rheinland-Pfalz komme von seinem für fünf Jahre verordneten einprozentigen Deckel für die Staatsdiener unter der neuen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) wieder ab, weil der Beamtenbund eine Verfassungsklage vorbereite.