Wenn Tiere Vorräte für den Winter anlegen, nützt das nicht nur ihnen selbst. Oft profitiert auch die Vegetation davon.

Stuttgart - Hier noch schnell eine Nuss vergraben, da ein paar Eicheln verstecken. Viele Tiere legen im Herbst einen unbändigen Arbeitseifer an den Tag, wenn sie ihre Wintervorräte zusammentragen. Von dieser Sammelwut können nicht nur sie selbst profitieren, sondern auch die Produzenten der schmackhaften Snacks. Schließlich findet kein Tier sämtliche Depots wieder, die es für die harten Zeiten angelegt hat. Und aus den vergessenen Lagern können neue Pflanzen keimen. So können sie ihre Samen deutlich weiter verbreiten als ohne tierische Hilfe. Wie die Vorratshaltung die Vegetation beeinflusst, lässt sich allerdings nur durch aufwändige Analysen klären. Und dabei erleben Ökologen immer wieder neue Überraschungen.

 

Die Rolle des Tannenhähers zum Beispiel ist keineswegs leicht zu durchschauen. Noch in der ersten Hälfe des 20. Jahrhunderts stand er in Verdacht, den Zirbelkiefern der Alpen zu viele Samen zu entwenden und so ihre Vermehrung zu gefährden. Später wurde klar, dass diese auch „Arven“ genannten Nadelbäume auf geflügelte Unterstützung angewiesen sind. Damit sie ihren Nachwuchs verbreiten können, muss ein Häher ihre Zapfen aufhacken und die darin enthaltenen Samen woanders hintragen – eine Leistung, die dem Rabenvogel den Titel „gefiederter Förster“ eingebracht hat.

Allerdings scheint sich der vermeintliche Baumfreund viel weniger um das Wohlergehen der Arven zu scheren als bislang angenommen. So brauchen die Samen feuchten Boden und viel Licht, um aufzugehen. Die Tannenhäher legen ihre Depots aber lieber an trockenen Stellen unter einem relativ dichten Kronendach an. „Sie verstecken die Samen also gerade da, wo sie nicht besonders gut keinem können“, sagt Eike Lena Neuschulz vom Loewe Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt, die dieses Verhalten mit Kollegen von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft beobachtet hat. Möglicherweise versuchen die Vögel so, die Haltbarkeit der Samen zu verbessern.

Ein kleiner Anteil gekeimter Samen genügt

Die Arven scheinen dabei auf den ersten Blick kein besonders gutes Geschäft zu machen. Doch sie haben sich offenbar mit der Situation arrangiert. Möglicherweise kommt ihnen dabei zugute, dass sie sehr alt werden. Bei einer Lebenserwartung von bis zu 1000 Jahren genügt wohl auch ein kleiner Anteil gekeimter Samen, um ihre Bestände zu erhalten.

Verbreitet scheint ein so egoistisches Verhalten unter den tierischen Transporteuren aber nicht zu sein. „Der Tannenhäher ist eines der wenigen Beispiele, bei denen die Samenausbreitung nicht so erfolgt, wie es für die Pflanze optimal wäre“, sagt Eike Lena Neuschulz. In vielen anderen Fällen stimmen die Interessen von Samenproduzenten und –verbreitern ziemlich gut überein. So versteckt das Sibirische Streifenhörnchen Eicheln mit Vorliebe an Stellen mit hohem Bodenwassergehalt. Und genau dort können die Samen der Mongolischen Eiche auch am besten keimen.

Für andere Pflanzenarten ist es dagegen entscheidend, dass nicht ihr gesamter Nachwuchs von hungrigen Mäulern vernichtet wird. Und erstaunlicherweise können die Sammler aus der Tierwelt auch dabei eine Hilfe sein. So scheinen nordamerikanische Grauhörnchen bei der Wahl ihrer Verstecke die plündernde Konkurrenz im Blick zu behalten. Das schließen Michael Steele von der Wilkes University in den USA und seine Kollegen aus Versuchen mit diesen Nagern. Die besonders attraktiven großen Eicheln vergraben die Tiere demnach mit Vorliebe im offenen Gelände. Kleinere Exemplare landen meist näher am Mutterbaum, unter dessen Kronendach sie weniger Licht bekommen.

Tiere müssen Gefahren abwägen

Offenbar wägen die Tiere bei der Wahl ihrer Verstecke zwischen zwei Gefahren ab. Vorratslager unter Bäumen werden zwar häufiger geplündert. Wer seine Schätze aber unter freiem Himmel vergräbt, fällt leichter Greifvögeln und anderen Feinden zum Opfer. Ein solches Risiko einzugehen, lohnt sich offenbar nur für die leckersten Happen. Diese Strategie der Hörnchen könnte auch im Interesse der Eichen sein. Schließlich gelingt es ihnen so, ihren wertvollsten Samen beste Startbedingungen zu verschaffen: Statt im Schatten älterer Bäume um eine Chance kämpfen zu müssen, landen sie in lichtdurchflutetem Gelände.

Die Entscheidung, wo sie einen Fund verstecken, machen die Samenverbreiter aber nicht nur von dessen Wert abhängig. Auch die aktuelle Gefahrenlage spielt eine Rolle. Ein Team um Pau Sunyer vom Institut für Ökologische Forschung und Forstanwendungen in Cerdanyola del Vallès bei Barcelona hat Waldmäuse beim Verstecken von Eicheln beobachtet. Dabei zeigte sich, dass auch die Nase über die Effektivität des tierischen Transportwesens entscheidet.

Sobald die Tiere einen Feind wittern, sind sie extrem wachsam und brauchen viel länger als sonst, bis sie eine Eichel gefunden, weggetragen und vergraben haben. Ganz anders reagieren sie, wenn sie Artgenossen erschnuppern. Offenbar rechnen sie dann mit unliebsamer Konkurrenz, die ihnen ihre Schätze streitig machen könnte. Also vergraben sie die Eicheln besonders schnell. Der beste Samenverbreiter scheint demnach einer zu sein, der um seine Vorräte fürchtet und nicht um sein Leben.

Fleißige Mistkäfer

Auch die konkurrenzbewussteste Maus ist aus Sicht einer Eiche aber nicht unbedingt die perfekte Kooperationspartnerin. Dazu ist sie einfach zu gefräßig. Ignacio Pérez-Ramos vom Institut für Bodenschätze und Agrarbiologie im spanischen Sevilla und seine Kollegen haben Indizien dafür gefunden, dass andere Tiere die Samen dieser Bäume viel besser verbreiten können. Die Forscher haben untersucht, wie zwei sehr unterschiedliche Sammler mit den Samen der Korkeiche und der Algerischen Eiche umgehen. Was die Menge der versteckten Eicheln angeht, hatten die Nagetiere klar die Nase vorn. Allerdings fraßen sie 95 Prozent davon auch auf und der Rest landete meist unter Büschen, wo die Eicheln schlecht keimen konnten.

Der Mistkäfer Thorectes lusitanicus dagegen trug zwar deutlich weniger Eicheln durch die Gegend und schleppte sie auch nur ein paar Zentimeter von der Fundstelle weg. Dafür ließ er die meisten Samen intakt und vergrub sie bis zu zehn Zentimeter tief im Boden. Das schützte sie nicht nur vor anderen gefräßigen Tieren, sondern auch vor Austrocknung. Und da die Verstecke oft auch noch ein günstiges Mikroklima boten, keimten die Samen gut. Die Forscher schätzen, dass die Käfer für Eicheln zehnmal so gut verbreiten wie die Nagetiere.

Tierische Lageristen

Häher Eichel- und Tannenhäher gehören zu den eifrigsten Lageristen der Vogelwelt. So kann ein einziger Eichelhäher in ein paar Wochen etliche tausend Eicheln verstecken. Die in den Alpen lebenden Tannenhäher legen zwischen August und Oktober sogar bis zu 10 000 Depots mit den Samen der Zirbelkiefer an. Schließlich leben sie fast ausschließlich von diesen Leckerbissen und füttern auch ihre Jungen damit. Der Vorrat muss also reichen, bis die Vögel im nächsten August neue Zapfen ernten können.

Hörnchen Eichhörnchen sammeln für die kalte Jahreszeit haltbare Nahrung wie Nüsse, Bucheckern und Eicheln. Diese Schätze vergraben sie entweder im Boden oder verstecken sie in Rindenspalten und Astgabeln. Beim Wiederfinden spielt der Geruchssinn eine wichtige Rolle, so können die Tiere im Boden liegende Haselnusskerne aus 30 Zentimetern Entfernung erschnuppern. In Nadelwäldern finden Eichhörnchen aber oft auch im Winter genügend Zapfen, so dass sie auf das Anlegen von Depots verzichten können.

Hamster Feldhamster legen in ihrem unterirdischen Bau sehr umfangreiche Vorräte an, die ihnen für sieben bis neun Monate reichen. Um den Winter zu überstehen, brauchen sie mindestens zwei Kilogramm Getreide und Sämereien. Es sind aber auch schon Hamster-Vorratskammern gefunden worden, in denen 17 Kilogramm Nahrung lagerten. Sorgfältig reinigen und sortieren die Nagetiere ihre Körner, damit diese nicht verderben. Mitunter lagern sie in ihrem Bau auch lebende Insekten ein, die sich in der Winterstarre befinden und daher nicht flüchten können.