Die Österfeldschule in Stuttgart-Vaihingen hat in ihrem pädagogischen Konzept verankert, dass sie eine Leseschule ist. Darum macht sie bei den Frederick-Tagen mit. Zu Gast ist das Vaihinger Autoren-Ehepaar Tanja und Mathias Jeschke.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Felix Vogel ist allergisch auf Anis. Zumindest erzählt er das dem Mann von der Zoohandlung. Eigentlich hat Felix gar keinen Vogel. Aber er muss den Verkäufer ablenken. Denn zusammen mit seiner Schwester Carolin will er was Verbotenes machen. Sie wollen eines der kleinen weißen Perserkätzchen klauen, die es in der Zoohandlung zu kaufen gibt. Carolin steckt eines der Samtpfötchen in ihre Tasche. Felix bezahlt den Vogelsand. Und weg sind die beiden Kinder samt Katze.

 

Die Drittklässler lauschen gespannt. „Aber wo sollen Felix und Carolin die Katze jetzt hintun“, fragt einer der Schüler. Tanja Jeschke nickt. „Das ist eine gute Frage“, sagt sie und liest weiter aus ihrem Buch „Das Geheimnis des weißen Perserkätzchens“ vor. Die Vaihinger Autorin und ihr Mann Mathias Jeschke, der ebenfalls Schriftsteller ist, sind in diesen Tagen zu Gast an der Österfeldschule. Denn diese beteiligt sich an den „Frederick-Tagen“. Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium rief die Aktion 1997 ins Leben. Seitdem findet sie jedes Jahr im Oktober statt. Ziel ist es, bei Kindern und Erwachsenen die Lust am Lesen zu wecken.

„Wir haben in unserem pädagogischen Konzept verankert, dass wir eine Leseschule sind“, sagt Eleonora Pongratz-Storost. Die Konrektorin ergänzt: „Um das zu visualisieren, stehen bei uns zwei rote Sessel und ein Bücherregal vor dem Sekretariat.“ Dort liege auch die Stuttgarter Kinderzeitung aus, und der Vaihinger Buchladen stelle alle vier Wochen sein Buch des Monats vor.

„Lesen ist Abenteuer im Kopf“, sagt Pongratz-Storost. Allerdings nur, wenn die Kinder nicht nur die Buchstaben aneinanderreihen, sondern wirklich verstehen, was da steht. „Sinnerfassendes Lesen“ heißt das im Fachjargon. „Einige Kinder brauchen die gesamte Grundschulzeit, bis sie das können“, sagt die Lehrerin. Grund dafür sei auch, dass manche Kinder in ihrer Freizeit so gut wie nie in ein Buch schauen.

Um das zu ändern, macht die Österfeldschule bei den „Frederick-Tagen“ mit. Das Kernstück sind die Autorenlesungen für alle Kinder. Der Friedrich-Boedecker-Kreis und der Förderverein der Schule unterstützen das Projekt. Zum Abschluss der Literaturtage steht ein Lesewettbewerb für die Mädchen und Jungen der zweiten, dritten und vierten Klasse auf dem Programm.

Während der „Frederick-Tage“ sind die beiden roten Sessel im Musiksaal der Schule im zweiten Obergeschoss zu finden. Tanja Jeschke hat es sich dort für ihre Lesung gemütlich gemacht. Schon als sie ein Kind war, habe sie sich Geschichten ausgedacht und aufgeschrieben, sagt die studierte Germanistin. Gut ein dutzend Bücher hat sie seitdem veröffentlicht. Auf die Frage, woher sie die Ideen für ihre Bücher nimmt, antwortet Tanja Jeschke. „Es sind Einfälle, so wie man plötzlich einen Einfall hat.“ Bei dem Buch mit dem weißen Perserkätzchen habe der Verlag ihr aber das Thema vorgegeben. „Es sollte ums Stehlen gehen“, sagt Jeschke. Aber mit Hilfe welcher Figuren sie welche Geschichte erzähle, das sei ihr selbst überlassen gewesen.

„Warum darf man denn nicht stehlen“, fragt die Autorin plötzlich in die Runde. „Weil man ins Gefängnis kommt“, antwortet ein Mädchen. „Zumindest wenn man etwas Großes klaut“, ergänzt ein Mitschüler. „Weil es Kaufhausdetektive gibt“, sagt ein anderer. „Wir können nicht einfach was nehmen, was uns nicht gehört“, bringt Jeschke die Sache auf den Punkt, bevor sie weiterliest. Doch was aus Carolin und Felix wird, die das weiße Perserkätzchen aus der Tierhandlung geklaut haben, wird natürlich nicht verraten. Einer der Drittklässler hat aber doch zumindest eine vage Vermutung und sagt: „Solche Geschichten gehen am Ende immer gut aus.“

Tanja und Mathias Jeschke wohnen seit einigen Jahren in Vaihingen. Das Ehepaar hat zwei Kinder, die Zweitklässlerin geht auf die Österfeldschule, und auch die Siebtklässlerin hat dort ihr Grundschulzeit verbracht. Tanja Jeschke wurde 1964 im südafrikanischen Pretoria geboren, wo sie teilweise auch aufwuchs. Nach dem Abitur studierte sie Germanistik und Theologie in Göttingen und Heidelberg. Heute arbeitet sie als Literaturkritikerin und Autorin. Matthias Jeschke wurde 1963 in Lüneburg geboren. Nach dem Abitur fuhr er zwischen Hammerfest und Casablanca, den Äußeren Hebriden und Borholm zur See. Anschließend studierte er Evangelischen Theologie in Göttingen, Heidelberg und Rostock. Er ist Verlagslektor bei der Deutschen Bibelgesellschaft, Autor und Herausgeber von Gedichtbänden und Dozent für Kreatives Schreiben an der Kinder- und Jugendakademie Stuttgart.

Die Maus Frederick
aus Leo Lionnis Kinderbuch ist der Namensgeber für das landesweite Lesefest, das es seit 1997 gibt. Weitere Infos stehen unter www. frederick.de.