Im Beinhaus beginnt Idam schließlich seine Totengräbergeschichte zu erzählen. „Ich war damals der Holzbildhauer-Schule wegen nach Hallstatt gekommen und wollte nach meinem Abschluss unbedingt hierbleiben.“ Er wusste, dass die Gemeinde einen neuen Totengräber suchte und dass, wer dieses Amt ausübt, in dem kleinen Haus oben am Friedhof wohnen durfte. „Ich konnte mir aber wirklich vorstellen, als Totengräber zu arbeiten“, sagt er heute und findet noch immer: „Totengräber hat als Beruf Qualitäten, die man sonst kaum findet: Man hat dabei körperlich und seelisch ein gutes Gefühl. Man ist draußen, strengt sich körperlich an, und es ist vollkommen klar, dass die Arbeit sinnvoll ist.“ Und so arbeitete Friedrich Idam von 1980 bis 1987 mit Schaufel und Spitzhacke auf dem Friedhof als Totengräber von Hallstatt. Er war der letzte, den der Ort sich leistete.

 

Mag der Beruf des Totengräbers schon speziell genug anmuten, in Hallstatt war er noch ein bisschen spezieller. Und damit wären wir wieder beim Platzproblem: In einem Ort, der so zwischen Berg und See eingeklemmt ist, ist nicht nur der Platz für die Lebenden, sondern auch der für die Toten zu knapp. Idam musste sie also nach einigen Jahren wieder ausgraben, ihre Schädel bleichen und dann mit Rosen, Lorbeer, Eichenlaub oder Efeu symbolisch bemalen und im Beinhaus ausstellen.

Wenn man Friedrich Idam so erzählen hört, ist es schon fast schade, dass Hallstatt heute keinen Totengräber mehr braucht. Viele Menschen sind abgewandert und sterben nicht mehr im Ort. Außerdem gibt es im Echerntal einen Urnenhain, auf dem die meisten Verstorbenen feuerbestattet sind. Aber einige wenige lassen noch heute testamentarisch verfügen, dass sie ins Beinhaus wollen.

Dann werden sie, wie früher, oben am Friedhof bestattet und nach Jahren wieder ausgegraben. Allerdings nicht vom Hallstätter Totengräber, sondern von einem Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens in Bad Ischl. Idam wird irgendwann einer von ihnen sein. „Na“, sagt er, als wir wieder nach draußen gehen, „das wäre doch sonst, wie wenn ein Metzger Vegetarier ist.“