Eigentlich ist der Olympiapark seit dem Ende der Paralympics im Herbst 2012 komplett geschlossen. Seit Anfang April öffnet er wieder seine Tore – aber nur zur Besichtigung einer gigantischen Baustelle.

London - Der Wind pfeift kalt aus Ost, Staub wirbelt auf, Papierfetzen flattern vorbei und bleiben in den Maschen des mannshohen Zauns hängen. Der Frühling ist auch in London alles andere als gemütlich. Aber die Menschen sind das offenbar gewohnt, manche tragen an diesem grauen Apriltag trotzig Shorts und Flipflops – bei zwei Grad über null, dazu weiße Helme und quietschgelbe Signalwesten.

 

Treffpunkt in Stratford, am Südeingang zum Olympiagelände. Eigentlich ist der Park seit dem Ende der Paralympics im Herbst 2012 komplett geschlossen, aber seit Anfang April darf wer will und 15 Pfund (knapp 18 Euro) übrig hat am Wochenende zu einer begleiteten Tour auf das Gelände im Londoner Osten, auf dem im vergangenen Sommer stimmungsvolle Olympische Spiele gefeiert wurden.

Jetzt gleicht das Feiergelände der Jugend der Welt einer mit Zäunen abgeriegelten Geisterstadt. Bagger krabbeln über leere Wege, es wird heftig abgerissen und demontiert. Zwischen offen liegendem Kabelgewirr stapelt sich Schutt, bräunliches Wasser schimmert in riesigen Pfützen, rostige Container stehen kreuz und quer, wo einst das Hockeystadion war.

Ein Gewerbezentrum mit 8000 Arbeitsplätzen ist geplant

Ziemlich trist das Ganze, da ändert auch der Blick von der 80 Meter hohen Aussichtskanzel des berühmten Orbit Towers nicht viel, auf die die behelmten Besucher geführt werden. Die gigantische Stahlskulptur ist so ziemlich das einzig Unversehrte hier. Und von oben sieht man die olympischen Wunden gnadenlos.

Die Seitenwände der Schwimmhalle hat man einfach abgerissen, die gewaltigen Tribünen demontiert. Das Wasserballbecken – weg, ebenso das Hockeystadion und die Basketballhalle. Der Platz, auf dem während der Spiele Souvenirs verkauft, Hamburger gegrillt und Brause ausgeschenkt worden ist, liegt traurig und brach da. Das gewaltige Medienzentrum steht nun als Solitär in einem ausgebeinten Gelände. Das Ganze soll in den nächsten 20 Jahren zu einem Gewerbezentrum mit 8000 neuen Arbeitsplätzen aufgepeppt werden.

Man braucht schon viel Fantasie, um sich die rosige Zukunft vorstellen zu können, die hier versprochen wird. Aus dem 360 Fußballfelder großen Park soll eine bunte Freizeitlandschaft werden. Damit will London die Forderung des Internationalen Olympischen Komitees nach einer nachhaltigen Nutzung der Anlagen genauso vorbildlich umsetzen, wie sie die Spiele organisiert haben. Für den künftigen „Queen Elizabeth Olympic Park“ wird die Stadt etwa 350 Millionen Euro in die Hand nehmen. Im Moment ist aber noch das große Ausdünnen angesagt, der Park bekommt doppelt so viel Freifläche wie während der Spiele. Geplant sind eine Million neuer Pflanzen, mehr als 500 Vogelhäuschen, und sogar an die Fledermäuse ist gedacht, für die man 150 spezielle Kästen aufstellen will.

West Ham United zieht 2016 in Olympiastadion ein

Ein ambitionierter Plan – und wenn man das Gelände in diesen Tagen sieht, nur schwer zu glauben. Aber die großen organisatorischen Baustellen sind bereits geschlossen. Seit 20. März ist es offiziell – der Fußballclub West Ham United wird von der Saison 2016/17 an seine Premier-League-Spiele in der Arena austragen und die Anlage übernehmen. Dazu werden 20 000 der 80 000 Plätze abgebaut und Tribünen an den Stirnseiten des Platzes installiert. Allerdings mobile, im Stadion soll auch weiter Leichtathletik stattfinden. Fix ist bereits die Weltmeisterschaft 2017.

Auch die Zukunft des Schwimmstadions ist geklärt – die offenen Tribünenseiten werden verglast, das Bad künftig ein öffentliches. Besonders stolz ist man in London auf die künftige Nutzung der Anlagen des Insel-Boomsports Radfahren. Das Velodrom, in dem Englands Bahnradler sieben Goldmedaillen geholt haben, bleibt erhalten, die BMX-Strecke wird um einen Mountainbike-Track und einen Rennrad-Rundkurs zum „Lee Valley Velo Park“ erweitert.

Ein Teil des Parks soll bis zum 26. Juli eröffnet werden

„Wart ihr bei den Spielen hier?“, ruft der Touristenführer den Besuchern auf der zugigen Terrasse des Orbit Towers zu. Viele brüllen ein energisches „Yes“ in den eisigen Wind. „Und wollt ihr wiederkommen, wenn das alles hier fertig ist?“ Wieder ein „Yes“, wobei man sich wirklich kaum vorstellen kann, dass ein Teil des Parks bereits am 26. Juli dieses Jahres zum Diamond League Meeting der Leichtathleten eröffnet werden soll. Im Frühjahr 2014 wird der Park dann komplett fertig sein. So der Plan. Darauf zu wetten, das scheint angesichts der Baustelle riskant, aber man hat den Londonern ein paar Monate vor den Olympischen Spielen auch kaum zugetraut, das Chaos zu ordnen. Sie jedoch haben es geschafft.

Was noch spannend bleibt, ist die Zukunft des ehemaligen olympischen Dorfs. Die für 1,3 Milliarden Euro gebauten gut 2800 Apartments waren als Wohnraum für Londons Osten gedacht. Das Problem ist nur, dass die Gegend bis jetzt nicht als besonders chic gilt. Es wohnen also eher keine Großverdiener hier, die Wohnungen sind aber teuer. Doch auch hier ist eine Lösung in Sicht. Es werden noch einmal 6000 Wohnungen gebaut und rund um den Park neue Stadtteile mit Namen wie Chobham Manor, East Wick, Sweetwater, Pudding Mill und Marshgate Wharf gegründet.

Von dort hat man es dann auch nicht weit in den Queen Elizabeth Olympic Park.