Auch die musikalische Seite konnte das Desaster der Regie nicht wettmachen. Toscanini, der 1896 die Uraufführung dirigiert hatte, bezeichnete die „Bohème“-Partitur einmal als „wahres Wunder“. In diesem von den vielen Verächtern Puccinis zu Unrecht übel beleumdeten Stück gibt es keine einzige Note, die ohne Bedeutung ist. Diese Genauigkeit kommt aber nur heraus, wenn man auch jeden Ton zum Sprechen bringt. Simon Hewett, der neue Kapellmeister der Staatsoper, ging seine erste Premiere zwar forsch an, aber es wackelte oft heftig, vor allem zu Beginn des zweiten Aktes. Gar nicht zurecht kam er mit der bei Puccini so entscheidenden atmenden Bewegung des Tempo rubato, das bei Phrasenenden oft stehen blieb, dadurch den lyrischen Fluss unterbrach und Löcher verursachte.

 

Wenig glücklich wurde man auch, mit Ausnahme des Rodolfo von Atalla Ayan, mit den Sängern. Ayan besitzt nicht nur eine schöne Stimme, sondern weiß sie zu modulieren, kann den Ton ins Piano zurücknehmen, ihn andererseits beim Forte in der Höhe, ohne zu drücken, aufstrahlen lassen. Bogdan Baciu als Marcello und Adam Palka dagegen lieferten sich einen Wettstreit im übertriebenen, undifferenzierten Forte-Singen – besonders ärgerlich in einem Stück, dessen Deklamation sich der gesprochenen Sprache nähert. Pumeza Matshikiza als Mimì blieb blass, besaß keinerlei stimmliche Ausstrahlung und sang ein schlechtes Italienisch. Yoko Kakuta, die in modernen Partituren so brillant sein kann, war als kokette Musetta total fehlbesetzt und verschenkte mit ihrem hart und unsauber intonierten Walzerlied den Ohrwurm des Stücks. Am Ende dieses in jeder Hinsicht enttäuschenden Abends gab es Ovationen. Man fragte sich ratlos, wofür.