Über den Aufenthaltsort von Osama bin Laden hat es viele Spekulationen gegeben. Entgegen aller Vermutungen lebte er neben pakistanischen Generälen.

Abbottabad - Sein Versteck lag nur 250 Meter von der nächsten Polizeistation entfernt und in direkter Nachbarschaft zu den Nobelvillen pensionierter Generäle, nicht unweit von Pakistans bester Militärakademie. Auch sonst ging es Osama bin Laden offenbar nicht allzu schlecht. In seiner komfortablen, dreistöckigen Residenz hatte der 54-jährige seine Großfamilie um sich geschart, gleich um die Ecke gab es Geschäfte und reichlich Ärzte, um den zuckerkranken Al-Qaida-Chef zu behandeln.

 

Pakistans Regierung und Militär hatten immer empört abgestritten, dass sich Osama bin Laden bei ihnen aufhalten könnte. Nun stehen sie als Lügner da. Vor allem sein Aufenthaltsort macht fassungslos. Nicht in einer finsteren Höhle musste sich der meistgesuchte Mann der Welt verstecken, er wohnte unbehelligt in einem der besseren Wohnviertel Abbottabads – direkt unter der Nase von Pakistans sonst allwissendem Militär und Geheimdienst.

Abbottabad ist kein Kuhdorf. Die Garnisonsstadt liegt nur eine Stunde Autofahrt nordöstlich von Islamabad und gilt als eine der schönsten Städte Pakistans, 1256 Meter über dem Meeresspiegel in einem romantischen Tal und von lieblichen Hügeln umgeben. In Abbottabad hat die renommierteste Militärakademie des Landes ihren Sitz. Bereits 2005 soll bin Ladens Versteck erbaut worden sein. Ob er bereits seit Jahren dort wohnte oder immer wieder den Aufenthaltsort wechselte, ist unklar. Aber es ist schwer vorstellbar, dass der mächtige Geheimdienst Isi kein Wissen von seinem Aufenthaltsort hatte.

Geburtsdatum bis heute nicht belegt

Über den ist in der Vergangenheit immer wieder wild spekuliert worden. Mal soll bin Laden hoch zu Ross auf einem Schimmel in den Bergen gesichtet worden sein, dann wurde der gesuchte Terrorist im Jemen vermutet. Vor einigen Jahren gab es sogar Spekulationen, dass einer der wenigen Dialyse-Apparate Pakistans spurlos verschwunden sei.

Die seltene Maschine wurde angeblich von Al-Qaida für den nierenkranken Anführer gestohlen. Es waren Sagen, die dank der Vita des 1957 oder 1958 geborenen Sohnes eines schwerreichen Milliardärs in Saudi-Arabien immer neue Nahrung erhielten. Das genaue Geburtsdatum des späteren Topterroristen ist bis heute nicht belegt.

Bin Laden unterstützte die Taliban mit viel Geld

In seiner Jugend war bin Laden dem weltlichen Lebensstil durchaus zugewandt. Urlaube in der Türkei und in Kenia sind ebenso überliefert wie wilde Jagden durch die Wüste, per Pferd oder PS-starkem Geländewagen. Das sollte sich bald ändern. Nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan schloss sich bin Laden Hunderten von jungen Kämpfern an, die aus der islamischen Welt nach Pakistan strömten, um von dort mit Unterstützung westlicher Geheimdienste und Milliarden an Hilfsgeldern aus den USA gegen die Sowjets zu kämpfen. Nachdem die Sowjets geschlagen waren, verlor der Westen das Interesse an Afghanistan und die vom Islam beseelten Kämpfer entwickelten sich zu immer dogmatischeren Ideologen.

Der Irak-Krieg 1991 war ein Einschnitt in seinem Leben

Ein Einschnitt in bin Ladens Leben war der erste Irak-Krieg 1991. Saudi-Arabien stellte sein Territorium US-Truppen zur Verfügung und schlug Osama bin Ladens Angebot aus, Heilige Krieger aus aller Welt in den Feldzug gegen Saddam Hussein zu führen. Seine heftige Kritik daran brachte ihm bald Ärger mit der Herrscherfamilie Al-Saud ein. Saudi-Arabien entzog bin Laden aus Verärgerung über dessen Propaganda gegen die Führung des Landes die Staatsbürgerschaft, bin Ladens Familie verstieß ihren Sohn und entließ ihn als Anteilseigner am Bau-Firmenimperium. Osama ging zunächst in den Jemen und bezog dann sein Quartier im Sudan.

Von dort musste er auf Druck der USA nach Afghanistan umziehen. In Afghanistan baute er bald eine enge Freundschaft zu den Taliban unter Mullah Omar auf. Die Afghanen brauchten Ingenieure, Al-Qaida hatte sie. Die Taliban benötigten technisches Wissen. Bin Laden konnte es beisteuern. Die Taliban brauchte Geld und bin Laden schien schier unerschöpfliche Quellen zu besitzen.

Gleichzeitig diente Afghanistan den Gefolgsleuten des Sheich, wie bin Laden von seinen Gefolgsleuten genannt wurde, um in aller Ruhe eine Welle von Terrorakten in der ganzen Welt zu planen. Der schlimmste Höhepunkt: Die Anschläge vom 11. September 2001.

Je länger der Sheich danach seinen Häschern aus aller Welt ein Schnippchen schlug, umso mehr wuchs seine Mythos in der Welt der Heiligen Krieger. Osama bin Laden war für sie der lebende Beweis, dass die „Kreuzzügler“, wie westliche Staaten bei ihnen heißen, trotz aller technologischen Überlegenheit nicht in der Lage waren, ihren Kampf zu stoppen. Bei der Planung von Terroraktionen durch Al-Qaida spielte er in der jüngeren Vergangenheit kaum noch eine Rolle. Osama bin Laden meldete sich jedoch in unregelmäßigen Abständen mit viel beachteten Tonbandaufnahmen in der Öffentlichkeit, um den Heiligen Krieg zu verherrlichen.