Dutt sollte seine VfB-Hühner vor dem Anpfiff eher noch schnell mit Ziegenmilch füttern. Es hilft, der große Schauspieler und Schriftsteller Curt Goetz hat es bewiesen. In seiner Zeit in Hollywood machte Goetz in Kalifornien eine Hühnerfarm auf, mischte dieses tierische Eiweiß in den Trog, und zum Dank legten seine Hühner Eier mit zwei Dottern. Das ist wie bei den Schauspielern, auch die brauchen Zuneigung – in Form eines Publikums, das hinter ihnen steht. Goetz hat auch da gute Erfahrungen gemacht. „Das Publikum ist gütig“, hat er hinterlassen, „es lacht sogar an Stellen, wo es gar nichts zu lachen gibt.“

 

Das ist genau das Publikum, das der VfB jetzt braucht – es muss auf die Zähne beißen können und nicht gleich zu den Notausgängen rennen, wenn einer über den Ball säbelt oder ein Eigentor köpft.

Dr. Thomas M. geht als strammes Beispiel voran. Er ist Heslacher, praktiziert als Neurologe und Psychiater im fränkischen Feucht und kommt als treuester VfB-Fan mit dem Zug zu jedem Spiel. Außerdem ist er mein treuester Leser, und wir treffen uns zur Stärkung immer in einem Wirtshaus auf dem Rotenberg. Wichtiger als das Essen ist ihm diesmal aber Folgendes: „Lass uns zur Grabkapelle pilgern“, bat er am Freitag am Telefon, „dort buddeln wir die Gebeine unseres Königs Wilhelm des Ersten aus, ich hänge meinen VfB-Schal ans Gerippe und alles wird gut.“

So therapiert sich ein wahrer VfB-Fan selbst. Wo andere die Nahrungsaufnahme verweigern, weil ihnen die Klöße im Hals steckenbleiben, sagt mein Psychiater: „Wenn Du mir schwörst, dass wir gegen Mainz gewinnen, zahle ich die Kutteln mit Bratkartoffeln.“

„Wir gewinnen“, habe ich ihm geschworen.

Dutt sollte seine VfB-Hühner vor dem Anpfiff eher noch schnell mit Ziegenmilch füttern. Es hilft, der große Schauspieler und Schriftsteller Curt Goetz hat es bewiesen. In seiner Zeit in Hollywood machte Goetz in Kalifornien eine Hühnerfarm auf, mischte dieses tierische Eiweiß in den Trog, und zum Dank legten seine Hühner Eier mit zwei Dottern. Das ist wie bei den Schauspielern, auch die brauchen Zuneigung – in Form eines Publikums, das hinter ihnen steht. Goetz hat auch da gute Erfahrungen gemacht. „Das Publikum ist gütig“, hat er hinterlassen, „es lacht sogar an Stellen, wo es gar nichts zu lachen gibt.“

Das ist genau das Publikum, das der VfB jetzt braucht – es muss auf die Zähne beißen können und nicht gleich zu den Notausgängen rennen, wenn einer über den Ball säbelt oder ein Eigentor köpft.

Dr. Thomas M. geht als strammes Beispiel voran. Er ist Heslacher, praktiziert als Neurologe und Psychiater im fränkischen Feucht und kommt als treuester VfB-Fan mit dem Zug zu jedem Spiel. Außerdem ist er mein treuester Leser, und wir treffen uns zur Stärkung immer in einem Wirtshaus auf dem Rotenberg. Wichtiger als das Essen ist ihm diesmal aber Folgendes: „Lass uns zur Grabkapelle pilgern“, bat er am Freitag am Telefon, „dort buddeln wir die Gebeine unseres Königs Wilhelm des Ersten aus, ich hänge meinen VfB-Schal ans Gerippe und alles wird gut.“

So therapiert sich ein wahrer VfB-Fan selbst. Wo andere die Nahrungsaufnahme verweigern, weil ihnen die Klöße im Hals steckenbleiben, sagt mein Psychiater: „Wenn Du mir schwörst, dass wir gegen Mainz gewinnen, zahle ich die Kutteln mit Bratkartoffeln.“

„Wir gewinnen“, habe ich ihm geschworen.

Auch mir geht das VfB-Elend an die Kuttel, man kriegt dabei langsam schon fast saure Nieren. Als Journalist bin ich zwar zur Distanz verpflichtet, aber man kann sein schwäbisches Herz ja nicht mit dem Hut an der Garderobe abgeben, und damit die VfB-Fans heute nicht wie gelähmt ins Stadion zittern, schwöre ich notfalls jeden Meineid – oder erzähle den Panisch-Depressiven sogar, dass es nichts Schöneres gibt als den Abstieg.

Leute, es ist ein Traum. Schon anno ’75 ist dieses Glück dem VfB einmal widerfahren, und von der anschließenden Wiedergeburt schwärmen die letzten Überlebenden heute noch – als damaliger VfB-Jungreporter kann ich lückenlos belegen, dass so ein Abstieg ein Segen sein kann.

Es gibt ein Leben nach dem Abstieg – sogar ein schönes

Es war so: die sportliche Abteilung hatte nicht immer ein glückliches Händchen, so spielgestaltende Figuren wie Köppel, Handschuh, Frank, Schwemmle und Haug gingen verloren, oder Gilbert Gress, der französische Star. Was im Gegenzug geholt wurde, vertrug oft kaum das Schnaufen. In Protokollen alter Vorstandssitzungen ist vermerkt, dass zur Behebung der Abwehrschwäche der Chefeinkäufer Heinz Hübner einmal mit der Suche nach einem „Librio“ betraut wurde – auch bei den Stars der Nationalelf sorgte der VfB für Furore, indem er Briefe versandte, in denen er den „lieben Herrn Höttges“ oder den „lieben Herrn Grabowski“ um Preisgabe ihrer finanziellen Vorstellungen bat, da man an einer Verpflichtung interessiert sei.

„Clubräume ausschwefeln, Eiterbeulen ausdrücken“, empfahl nach dem Abstieg dann Trainer Albert Sing als Sofortmaßnahme, und für die Umsetzung dieses anspruchsvollen Konzepts war die Stunde Null ideal. Der runderneuerte VfB stieg zwei Jahre später wie Phönix aus der Asche, mit jungen Wilden wie Hansi Müller, Kalle Förster oder Schwabenpfeil Hoeneß, und an der Seitenlinie sprang Jürgen („Wundermann“) Sundermann vierfache Rittberger oder fraß liegend das Gras – als junger, hungriger Trainer, der mit einer noch hungrigeren Mannschaft den stürmischsten VfB-Fußball aller Zeiten spielen ließ, anlässlich feuriger Freudenfeste mit mehr als 50 000 Fans im Schnitt, die Wunderkerzen anzündeten.

So ein Abstieg ist, dicht hinter dem Klassenerhalt, also das Zweitschönste, was es im Fußball gibt – und deshalb sollten diese 50 000 auch am Samstag wieder voller Vorfreude ins Stadion spazieren, ohne Angst, ohne Panik, aber vor allem ohne Pfeifkonzert. Das ist viel verlangt von uns schwäbischen Bruddlern, wir sind schleckig, wie sagt unser VfB-Altmeisterpräsident Erwin Staudt immer: „So schnell, wie an der Stuttgarter Oper der Sänger ausgepfiffen wird, wenn er den Zielton nicht erwischt, wird im Stadion der VfB ausgepfiffen.“

Heute bitte nicht. Heute sind wir der zwölfte, alles entscheidende Mann. Um unsere kopflosen VfB-Hühner zu retten, müssen wir zeigen, was Olli Kahn immer fordert („Eier, Eier, Eier!“) – und zwar solche mit drei Dottern.

Um unsere kopflosen VfB-Hühner zu retten, müssen wir zeigen, was Olli Kahn immer fordert. Foto: Getty