Die ehrlichsten Interviews sind die erfundenen, findet unser Kolumnist Oskar Beck – und so packt Matthias Sammer bei ihm über seine Rolle endlich aus.

Stuttgart - Man kann heutzutage nur noch Interviews glauben, die erstunken und erlogen sind. Auch das folgende Telefonat mit dem früheren VfB-Meisterspieler und Trainer Matthias Sammer hat nie stattgefunden, doch umso schonungsloser nimmt er darin kein Blatt vor den Mund – und wir erfahren endlich, was er als Sportvorstand des FC Bayern den ganzen Tag tut

 

Grüß Gott, Herr Sammer, wo erreiche ich Sie gerade?

Sammer: „Ich muss mich entschuldigen, so ekelhaft sollte ein Interview eigentlich nicht beginnen – aber ich sitze auf dem Topf, in unserer Bayern-Kabinentoilette. Gleich ist das Training aus, und ich muss mich dann immer auf die Klobrille setzen, um sie für Robert Lewandowski vorzuwärmen.“

Sie scherzen jetzt, oder?

Sammer: „Leider nein. Das ist eben der FC Bayern. Wir haben Lewandowski damals nur bekommen unter dieser knallharten Bedingung, er hat diese Klausel im Kleingedruckten seines Vertrags, und ich darf nicht einmal eine kühle Blähung lassen. Also hocke ich halt hin – aber so geht wenigstens der Tag schneller rum.“

Damit sind wir schon mitten im Thema, denn alle Welt will endlich erfahren: Was macht eigentlich der Sportvorstand Sammer bei den Bayern den ganzen Tag?

Sammer: „Normalerweise wäre ich jetzt beleidigt, aber weil Sie es sind: Klar, die Frage ist berechtigt. Jürgen Klopp hat sie ja auch einmal gestellt. Ich mag den Klopp nicht, er hat eine große Gosche, aber was er über mich sagt, hat natürlich Hand und Fuß. Sportvorstand Sammer, das klingt klasse, großes Kino, hohe Politik – aber die Wirklichkeit sieht so aus, dass heute Morgen plötzlich der Hoeneß in mein Büro platzt und befiehlt: ,Ruf Frau Guardiola und die anderen Spanierinnen an und erinnere sie daran, dass sie den Gelben Sack vor die Tür stellen, heute ist Müllabfuhr.’“

Das ist Ihr Job?

Sammer: „Das ist mein Job, ein Mülltelefonat am anderen, und das auf Spanisch. Und bei Thiago muss ich dann sicherheitshalber selbst noch hinfahren und Hand anlegen, denn der trennt keinen Müll . . . Moment, ich muss kurz an den anderen Apparat . . . Hola, Arturo, wo brennt’s, problema? (Getuschel im Hintergrund).

Herr Sammer, sind Sie noch da?

Sammer: „Alles claro, Arturo . . . Hallo, ja, hier bin ich wieder. Das war Vidal. Irgendeiner hat ihm gerade gesagt, dass wir beim VfB spielen und jetzt fragt er, ob und wo es in Stuttgart ein Tattoo-Studio gibt, das ihm eine chinesische Philosophie in die Stirn sticht. Das muss ich jetzt nachher gleich für ihn googeln. Das ist mein Alltag.“

Wie läuft so ein Tag ab?

Sammer: „Mein Wecker schellt jeden Morgen Punkt 6.56 Uhr. Dann schnell unter die Dusche, denn um sieben Uhr kommen die ersten Anrufe: Frau Hoeneß bestellt mich zum Rasenmähen, Frau Rummenigge zum Blumengießen, und wenn ich anschließend beim Training bin und die Hütchen aufstelle, kommt Ribéry und sagt: ‚Bin heute müde, Sammer, bindest du mir die Schnürsenkel zu?‘ Oder Robben brüllt: ‚Kimmich steht auf meinem Parkplatz!‘“

Was heißt das?

Sammer: „Unsere Superstars bestehen auf Plätze, auf denen ihre Bentleys von der Sonne beschienen werden, aber wir haben halt auch rotzfreche Hunde wie den Kimmich – und der Sammer muss dann alles umparken und rangieren. Neulich hat mich Xabi Alonso auch noch gefragt, ob ich ihm während des Trainings nicht den Wagen wasche – vielleicht verstehen Sie jetzt, was ich meine.“

Trotzdem haben Sie Alonso den Vertrag verlängert.

Sammer: „Ich? Mit den Personalien habe ich gar nichts zu tun, deshalb sagt Klopp ja immer: Ohne den Sammer hätte der FC Bayern in der Tabelle keinen Punkt weniger. Nein, mich fragt keiner, die Ein- und Verkäufe managt bei uns Michael Reschke. Einmal wollte ich mich einmischen, und sofort warfen mir Uli und Kalle Kompetenzüberschreitung vor und drohten: ‚Halt dich da raus, sonst fährst du in Dresden bald wieder einen Trabi.‘“

Wie Sammer das Remis gegen Juve rettete

Dürfen Sie wenigstens auf der Münchner Trainerbank mitreden?

Sammer: „Na, Sie haben Humor, dann wäre ich sofort wegen Einmischung in die inneren Angelegenheiten Guardiolas dran. Dabei braucht mich Pep eigentlich. Neulich, gegen Juve, liegen wir kurz vor Schluss 0:2 hinten, und er fragt mich ratlos: ‚Was sollen wir jetzt machen?‘ Und ich sage: Zwei Tore. Und Pep klatscht sich mit der Hand gegen die Stirn und brüllt aufs Spielfeld: ‚Macht zwei Tore!‘ Der Rest ist bekannt. Hinterher haben wir uns gegenseitig die Glatze getätschelt.“

Haben Sie eigentlich denselben Frisör?

Sammer: „Das ist eine nette Geschichte. Eines Morgens sieht Pep, dass es mir wieder langweilig ist, und er sagt: ‚Komm, lass uns zum Friseur gehen, ich kenne einen, der macht super, super, super Glatzen, muy bien.‘ Seither gehe ich da jeden Tag hin, Rasur und Politur, dann unter die Trockenhaube, und schon ist wieder eine Stunde rum.“

Wie würden Sie Ihre Rolle nennen: Mädchen für alles? Frühstücksdirektor?

Sammer: „Am liebsten Mahner. Wenigstens als Mahner kann ich etwas bewirken – kürzlich zum Beispiel, als Hoeneß wieder mal laut vom Gewinn des Triples träumte. Sag mal, Uli, habe ich ihn gefragt, haben Sie dich zu früh rausgelassen? Da war er wieder ruhig. Wissen Sie übrigens, dass ich ihn im Gefängnis zeitweise vertreten habe?“

Wie bitte?

Sammer: „Pass auf, Uli, habe ich nach einem halben Jahr zu ihm gesagt, wir wechseln uns im Knast jetzt ab, ich rücke jeden zweiten Tag für dich ein, ich habe Zeit, ich kann hier ja nicht jeden Tag damit totschlagen, dass ich Flüge bestelle, die Betten im Mannschaftshotel Probe liege und das Essen vorkoste.“

Was müssen Sie heute vollends erledigen?

Sammer: „Das Übliche, jeden Tag staube ich in der Bayern-Vitrine die Pokale ab. Außerdem hat Franz Beckenbauer angerufen, ob ich ihm bei einem AH-Turnier in Starnberg den Golfsack trage – und dann muss ich für Pep noch die flammende Rede für die Mannschaftsbesprechung vor dem Stuttgart-Spiel schreiben.“

Hat der VfB eine Chance?

Sammer: „Eher gewinnt Ali noch mal gegen Frazier. Und jetzt seien Sie mir bitte nicht böse – aber ich muss mich kurz hinlegen.“

Herr Sammer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.