Fade Tore hat er nie geschossen – sobald der Dicke auf der vollen Breite und Höhe des Strafraums explodierte, drohte ein Kopfballtorpedo. Oder er köpfte, wie bei der WM 1970 gegen England, mit dem Hinterkopf. Es war seine Kopfnuss für das, was ihm vier Jahre zuvor angetan wurde: Damals, in in Wembley, als der Schiedsrichter Dienst, diese gottlose Pfeife, draußen an der Kalklinie den fahnenschwenkenden Schnauzbart Bakhramow fragte, ob der Ball drin war. Der Verkalkte nickte dem Blinden zu, und Uwe wurde nie Weltmeister.

 

Schämen muss er sich trotzdem nicht. Am wenigsten über seine 43 Tore in 72 Länderspielen, die sich von seinem Debüt als 17-Jähriger über vier WM-Turniere bis zur Ernennung zum DFB-Ehrenspielführer erstreckten. Außerdem ist er dreimaliger Fußballer des Jahres, Bundesverdienstkreuzträger, Ehrenbürger von Hamburg, Ehrenkommissar der Polizei, Ehrenkapitän der Schifffahrt und Ehrenschleusenwärter – und sein rechter Fuß steht in Bronze gegossen als Mahnmal vor dem HSV-Stadion, vier Tonnen schwer, fünf Meter breit, drei Meter hoch. Wenn der Dortmunder Mannschaftsbus dort jetzt einbiegt und die BVB-Abwehrspieler zu schlottern beginnen angesichts des bedrohliches Hufes, wird ihr Trainer Tuchel sie besänftigen: „Ruhig Blut, das ist nicht der Fuß von Lasogga.“ Es ist der Fuß von früher, als der HSV noch den treuesten Torjäger der Welt hatte.

Uwe ist immer geblieben. Sogar 1961. In der damaligen Oberliga Nord verdiente er 460 Mark im Monat, als ihm Inter Mailand 500 000 Mark im Jahr bot, eine für damalige Verhältnisse atemberaubende Summe. Seeler hätte zweifellos auch noch eine Villa mit vergoldeten Dachplatten samt Butler dazubekommen – aber für eine warme Mahlzeit mit Speckeinlage („Sie hätten die Bohnensuppe meiner Mutter kennen müssen“) blieb er im Lande.

Freuen und trösten wir uns also an Uwes 80.: Der Fußball verliert inzwischen zwar vollends seine Seele – aber wenigstens der Seeler ist immer noch da.