Wenn die Fußballer die drei besinnlichen Tage nicht nutzen, hilft nur noch Sepp Blatters Ethikkommission. Dann dürfte der weihnachtliche Friede ganz gewiss einkehren.

Miami - Nun ist gleich Heiligabend, und alle Welt fragt sich, wer den tollsten Weihnachtsbaum hat. Der höchste misst 45 Meter und steht in Dortmund, in Miami schwören sie auf ihre mit buntglühenden Kerzenketten behängten Palmen, und die New Yorker feiern ihre Nordmanntanne am Rockefeller Center in Manhattan als König aller Christmas Trees – aber es gibt leider auch solche, die vor Trauer jetzt schon nadeln. Sie stehen in Zürich.

 

Genau gesagt im Hotel „Baur de Lac“. Jeder Fußballfan kennt sie, sie sind die meistfotografierten Tannenbäume der Welt – aber nicht, weil sie so herrlich beleuchtet sind, sondern weil sie neulich als Hintergrund herhalten mussten für weitere frisch verhaftete Fifa-Funktionäre. Morgens um sechs wurden die mit Decken über dem Kopf von der Polizei im Zuge einer Razzia in Autos gestoßen und zum Verhör gebracht, und von dort in eine Zelle, wo sie jetzt auf einen Auslieferungsantrag des FBI warten.

So weit hätte es nicht unbedingt kommen müssen. Womöglich wären diese in aller Herrgottsfrüh aus dem Bett Gerissenen nicht wie Dunkelmänner im Dämmerlicht Schweizer Christbäume abgeführt worden, wenn sie letztes Jahr die Weihnachtszeit genutzt hätten, um kurz inne zu halten, über ein paar Dinge nachzudenken und zur Besinnung zu kommen. Aber wer kann das noch im Fußball. Dieser Dauerwahnsinn ist so hysterisch geworden, dass es allen Beteiligten geht wie Franz Beckenbauer, dem einst siedendheiß einfiel: „Ja, ist denn schon Weihnachten?“

Drei Tage, in denen Ruhe Traumph ist

Aktuellen Blitzumfragen zufolge haben sieben von zehn Kickern total perplex reagiert, als ihnen am Montag irgendeiner eröffnete, dass sie nicht zum Training müssen. Ihr Jahr besteht inzwischen aus 51,5 englischen Wochen und drei Tagen Weihnachten, und sie sehen den Heiligabend gar nicht mehr kommen vor lauter Bällen, die ihnen im Hamsterrad ihres Zirkusberufs um die Ohren fliegen. Dabei sind diese drei Tage ihre einzige Chance, um einmal in Ruhe zu schauen, ob die Frau noch da ist, die Kinder in der Schule mitkommen und Opa und Oma noch leben – also sich die Fragen zu stellen, die im Alltagsstress sonst zu kurz kommen. Zum Beispiel: mache ich alles richtig?

Fangen wir an mit einer Lappalie. Als der Augsburger Torwart Marwin Hitz kürzlich zielbewusst den Elfmeterpunkt zertrampelte, auf dem der Kölner Schütze Anthony Modeste anschließend prompt ausrutschte, wurde der Unsportliche hinterher gefragt: War das fair?

„Nein“, sagte Hitz und lachte fröhlich.

So ist vieles verdammt selbstverständlich geworden, vor allem, dass der Zweck jedes Mittel heiligt – und wenn ihn jetzt nicht Weihnachten zur Nachdenklichkeit zwingt, buddelt Hitz vor dem nächsten Strafstoß den Elfmeterpunkt vollends einen halben Meter tief aus. Aber auch der oben erwähnte Kaiser ist zweifellos heilfroh über das frohe Fest, denn auch er muss dringend ein paar Dinge mit sich klären, vor allem seinen Satz von neulich, als er in puncto Sommermärchen 2006 wie selbstverständlich firlefranzelte: „Ich habe immer blind unterschrieben. Wir wollten die WM organisieren, alles andere war mir wurscht.“

Axel Schulz sucht nach Mitteln, um Ziele zu erreichen

Jetzt, gezwungen von Weihnachten, wird Beckenbauer den Kopf drüber schütteln und staunen, was einem nicht alles wurscht ist, wenn der Tag nur lang genug ist. „Schmarrn“ und „Kindergarten“ wird er granteln und nicht nur auf sich selbst schimpfen, sondern auch auf den früheren Schwergewichtskönig Axel Schulz, der ihm, ohne lang Luft zu holen, vehement den Rücken gestärkt hat mit folgendem Grundsatzplädoyer gegen die Verteufelung des Stimmenkaufs: „Das gehört zum Sport dazu. Es ist gang und gäbe, dass man andere Mittel sucht, um sein Ziel zu erreichen. Dementsprechend ist alles in Ordnung. Beckenbauer muss man in Ruhe lassen. Er hat uns einfach eine toller WM besorgt.“

Fast hätten wir jetzt Sepp Maier vergessen. Auch die „Katze von Anzing“, der Altpanther zwischen den Vollpfosten, meinte unlängst lässig mit links: „Bei der Fifa kriegst du doch nie eine WM, wenn du nicht schmierst. Das läuft wie in der Wirtschaft. Besser als 6,7 Millionen für irgendeinen Schwachsinn ausgeben.“

An Weihnachten wird jetzt auch der Sepp zur Besinnung kommen – sonst rückt ihm am Ende die Fifa-Ethikkommission vom anderen Ex-Sepp auf die Wurschtpelle und bringt ihm bei, was Moral ist.