Gisela K. Wir hatten hier immer viel Platz, im Garten, im Hof und im Hobbyraum. Und deswegen ist das Wohnheim schnell ein Treffpunkt geworden: Meine Krabbelgruppe hat hier stattgefunden, der Kinderchor hat hier geprobt, und viele Kinder aus der Nachbarschaft haben im Garten gespielt. Manche Eltern hatten zunächst etwas Angst vor den Bewohnern, aber das hat sich durch die Begegnung schnell gelegt. Und durch die Kontakte sind die Bewohner ins Dorfleben hineingewachsen. Es gab immer wieder sehr schöne Momente. Ein Bewohner hat mich einmal gefragt, ob er mir helfen könne. Dann habe ich gesagt, er könne den Kinderwagen schieben, während ich meine Wäsche aufhänge. Dass unsere Tochter dabei eingeschlafen ist, das erzählt er noch heute.
Wilhelm K. Unsere Bewohner haben unsere Kinder erlebt und jetzt erleben sie unsere ersten Enkel. Sie freuen sich total darüber, weil sie ein Familienleben kennenlernen, das sie sonst nicht haben. Und unsere beiden Kinder, die bereits verheiratet sind, haben jeweils zehn Bewohner zur Hochzeit eingeladen. Das hätten sie sicher nicht gemacht, wenn es ihnen nicht wichtig gewesen wäre.
Wie konnten Sie sich inmitten der kleinen und großen Familie noch als Paar pflegen?
Gisela K. Das war mit vier Kindern natürlich nicht einfach, zumal es keine Großeltern in der Nähe gab. Aber wenn wir mal einen Abend Zeit für uns wollten, haben sich oft unsere Zivis als Babysitter angeboten. Diese jungen Menschen waren nicht nur deswegen ein Geschenk, zu vielen haben wir immer noch Kontakt. Und ansonsten waren wir immer sehr rege und haben geschaut, was möglich ist. Wir haben einen Hauskreis gefunden, wir waren eine Zeit lang zusammen im Chor, wir haben viele Freundschaften gepflegt.
Wilhelm K. Eine tragende Säule war und ist, dass wir nicht nur zu zweit sind, sondern dass wir eine Beziehung zu Gott leben. Wenn es eng geworden ist, dann haben wir gemeinsam Ruhe und Auszeit im Gebet gesucht. Ohne diesen Glauben hätten wir manches nicht geschafft.
Sie sind beide Jahrgang 1954 und nähern sich langsam dem Rentenalter. Werden Sie dann ausziehen?
Wilhelm K. Das Thema Loslassen wird präsent. Ich habe die Leitung an meinen Kollegen abgegeben und arbeite nur noch 50 Prozent an der Basis – und damit auch weniger als Gisela.
Gisela K. Bei mir sind es gerade 90 Prozent.
Wilhelm K. Noch ist der Gedanke, hier auszuziehen, weit weg. Aber es ist klar, dass es so kommen wird, und wir überlegen auch schon, wie und wo wir leben möchten.
Gisela K. Wobei ich schon gerne in der Umgebung bleiben will. Wir haben hier viele gewachsene Freundschaften.
Wilhelm K. Oder wir gehen doch ins Allgäu auf eine Alm.
Gisela K. Da wären mir zu wenig Menschen.
Würden Sie die Entscheidung, Ihr halbes Leben in einem Wohnheim mit behinderten Menschen zu verbringen, genauso wieder treffen?
Wilhelm K. Und Gisela, hättest du doch lieber ein Häusle gebaut?
Gisela K. Das war genau die richtige Entscheidung. Ich brauch’ kein Häusle.
Wilhelm K. Wir wohnen mit lieben Nachbarn zusammen, mit Menschen, mit denen wir arbeiten, und mit Freunden. Das hat man nicht in einem Häusle und meistens auch nicht in normalen Mehrfamilienhäusern.